Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 7. Februar 1786.

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Brieftext

P. P.

Unter die P. P. gehören auch die Titel, die Ihnen der Addres
kalender nicht ertheilt und die der Kopf und das Herz sich zueignet. —
Bei andern Menschen überseze ich die P. P. in praetermissis prae
termittendis.


Von den 2 Briefen, die ich hier an Sie schikke, wird nur der auf
blauem Papier gedrukt: den andern heben Sie blos auf.


Sonst hab’ ich Ihnen nichts Neues zu berichten, ausser etwan daß
sich die Nachricht von der wirklichen Zerstöhrung Hofs am 11 Febr.
leider immer mehr zu bewähren scheint. Ich wil wünschen, daß in
diesem kurzen Raum zur Busse wir uns beide aufrichtig bekehren;
besonders mus man wünschen, daß die Frau Pfarrerin selig werde,
welche bisher zu viel Verstand für eine Christin hatte und daher durch
ihren guten Kopf den Himmel einzubüssen waget, den sie durch ihr
gutes Herz verdienen mag. Übrigens geschähe mir der gröste Ge
fallen, wenn ich noch nicht so bald in den Himmel käme: denn ich hätte
gern vorher noch einmal den in Rehau geniessen mögen, wo ich so
frei leben durfte und von keiner Höflichkeit zum Reden gezwungen
wurde, wenn ich schweigen wolte. Gieng aber das Erdbeben gar nicht
vor sich und wären wir so glüklich, daß wir nicht erschlagen und ver
schüttet würden: so spräche ich Ihnen vielleicht in der nächsten Woche
wieder zu und frisirte am Kopfe Ihrer geistigen Kinder weiter: denn
zuweilen lässet sich einer sein Haar von einem andern schön aufdrehen
und mit falschen Lokken zieren, nicht weil er selber nicht frisiren kan,
sondern weil er es aus Bequemlichkeit nicht mag.


Leben und schlafen Sie wol. Ich bin seit meinem zwölften Jahre
mit besonderer Hochachtung


Ew. Hoch Ehrwürden gehors. Diener und Freund Hof den 7 Febr. 86.
J. P. F. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Stadtbibl. Wunsiedel. 2 S. 4°. (Eine alte Abschrift von fremder Hand in gewöhnlicher Orthographie im Brit. Museum.) K: An Vogel in Rehau den 7 [aus 8] Febr. J 1: Wahrheit 3,342×. J 2: Nachlaß 3,257×. A: IV. Abt., I, Nr. 52? 197,9 hab’] weis K 13 seelig K 14f. durch ihren guten Kopf] aus wegen ihres guten Kopfes H 18 den] nachtr. H 20 Gienge aus geht K aber] aus also H 24 von einem andern] nachtr. H

Richter übersendet die Satire über die Tracht der Geistlichen (vgl. 189, 19f.), die er in die Form eines Briefes an den Verfasser der „Raffinerien“ eingekleidet hatte, der mit P. P. angeredet wird, da Vogels Stand nicht verraten werden durfte. Diese Einkleidung hat er dann, wohl auf Vogels Wunsch, fallen lassen; der ursprüngliche Anfang — 1½ S. 4° auf blaugrauem Papier — hat sich aber im Nachlaß (Fasz. 26) erhalten. 197, 10ff. Bezieht sich auf die Prophezeiung des Superintendenten Ziehen, die auch im Siebenkäs erwähnt wird, s. I. Abt., VI, 313†.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_148.html)