Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 14. März 1786.
Brieftext
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihr voriges Papier war blau; aber dieses ist schlecht.... Hier
send’ ich Ihnen einen Aukzionskatalog, um dessen beschleunigte Zurük
gabe ich Sie bitte: wenn Sie Bücher daraus
auslesen; so wil ich Ihr
Spediteur dabei sein.... Sobald ich
nach Rehau komme: bringe ich
die Beicht des Trogenpredigers mit … Ich bin sehr begierig, an
die
übrigen Blüthen zu riechen, die in meiner Abwesenheit an Ihren
Raff[inerien] gar
ausgeschlagen: auch den Gärtner selbst möcht’ ich
wieder sehen.... Lokke! wenn dein Geist mit dem H.
Pfarrer in diesen
Brief hineinsieht: so regiere ihn aufs Beste und bringe ihn so
weit,
daß er mir dein Werk über den menschlichen Verstand
schikket, damit
mein eigner sich bessert: denn ich weis es
wol, daß du auch sonst ihn
inspirirst!....... Wenn ich an
Ihrer Stelle wäre: so wendete ich diese
Seite gar nicht
um.
Denn lieber Himmel! was kan iezt anders kommen als etwas, das
Sie nicht freuen kan? Da ich den Lokke schon einmal gebrauchet habe:
so mus ich mich nothwendig an einen andern wenden und es ist
sehr
gut, daß mir die h. Anna beifält, die (nach den
Katholiken) bereichert:
die wil ich geschikt anrufen. Denn wahrhaftig, h. Anna!
sage selbst,
würde es sich wol für mich schikken, den H. Pf.
Vogel in Rehau, der den
zwei Bestandtheilen meines Wesens schon so viele Nahrung
zugeführet,
wieder im Namen meiner Mutter um 10 oder 8 fl. aus
dem Gottes
hause anzusprechen? Wenigstens ist es für
dich weit schiklicher, wenn du
im Namen der
Wolthätigkeit eine ähnliche Bitte vorträgst. Du bist
weit
heiliger als ich, der ich wie bekant nur ein gemeiner Satiren
schreiber bin, und er kan dir es also weniger versagen. Dazu
bedenke
genugsam, daß du ein Frauenzimmer bist; als dieses
kanst du noch mehr
auf die Erfüllung deiner Bitte dringen.
Wenn nun der grämliche
Kirchenvater in seine Stube
trit: so brauche — sonst ist alles vergebens
— deine Almacht
und thue (welches sogar deine Reliquien vermögen)
ein wahres
Wunder, indem du meiner Mutter in den Augen des alten
Kirchenvaters (dieses treuen Thieres, das auf dem ganzen
Schaze als
Wächter sizt) die Gestalt des H. Pfarrers leihest;
und dies ist leicht, du
ziehest ihr nämlich ein Paar
Hosen an und einen Schlafrok und giebst
ihr viel Heterodoxie
und Verstand und Lustigkeit.... Solte es die h.
Anna vergessen, Ihnen zu sagen, daß die ganze Sache wegen
eines
äusserst dringenden Zufals nur bis auf Walpurgi verlangt
wird:
so thue ich es hiemit.
Leben Sie wol und schreiben Sie mir einen langen Brief, der so
schön ist wie der neuliche oder auch wie Ihre Gattin. Ich bin mit
gröster Hochachtung
Ew. Hochehrwürden gehors. Diener und Freund Hof den 14 März 86.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_156.html)