Von Jean Paul an Franz August Köhler. Hof, 9. April 1786.
Brieftext
Hochzuverehrender Herr Bürgermeister,
Hätt’ ich diesen langen Brief mit sympathetischer Dinte hinge
schrieben: so wär’ es überaus gut; denn Sie könten ihn dan
gar nicht
lesen — stat daß ich iezt bei der schwarzen
unglaublich schlecht fahre.
Gewis wird Ihnen nun der Brief (ich
wolte darauf schwören) alles
hinterbringen, was ich Ihnen doch
verhalten wil. Er wird Ihnen
— Sie können mir glauben — ohne
Bedenken die Bitte verrathen, die
ich im Namen meiner Mutter an
Sie wagen wollen und die ich Ihnen
wol nicht zu eröfnen brauche, da ich mich mit ihr
geschikt schon zur
h. Anna gewandt. Diese Heilige, die wie die
Katholiken glauben, sich
mit der Vertheilung des Reichthums unter die Menschen abgiebt
—
sie ist sonach die algemeine Kriegszahlmeisterin und
gefället mir sehr
wegen ihrer kontanten Zahlung — diese hab’
ich nämlich so angeredet:
„Einen grossen Gefallen
thätest du mir und auch meiner Mutter freilich,
liebe h. Anna, wenn du es so machtest und ihr wie gesagt zu
dem
Vorlehn von 20 fl. vom H. Bürgermeister Köhler verhälfest.
Sie wird,
um es dir noch einmal zu wiederholen, fast überal
gedrükt, verkant, ver
läumdet, und ohne
Hülfe gelassen; mancher verschlimmert sogar ihre
Lage
heimlich, um die seinige zu verbessern, weil er ihr durch diese Ver
schlimmerung endlich ihren Garten
abzunöthigen hoft. Es ist ia nicht
das erste mal, daß du den
H. Bürgermeister zu einem wolthätigen Ent
schlusse bewegst. Ich thäte die Bitte selber, aber ich bin nur ein gemeiner
Satirenschreiber und bin dabei zu närrisch angezogen; du
hingegen bist
ein Frauenzimmer und dem kan er es aus
Höflichkeit weniger abschlagen,
weil das schöne Geschlecht
auch eine schöne und mithin entscheidende
Stimme hat. Erscheine ihm im Traume oder in Gestalt einer
Predigt,
oder du kanst auch heute abend zu ihm gehen und meine
ganze Figur
annehmen, indem du ein Paar Beinkleider anlegst,
einen runden Hut
aufsezest und dein Haar
verschneidest, so daß wahrhaftig ieder denkt,
ich wär’es
leibhaftig.“ Ich habe es Ihnen aber vorausgesagt, daß
dieser
fatale Brief alles verrathen würde.
Und ich glaube gar, er offenbaret es Ihnen auch, wie sehr ich Sie
schäze: ich wil es aber nicht hoffen; denn es wäre zu
unschiklich, iemand
ins Gesicht mündlich oder
schriftlich zu loben, es müste denn ein
Frauenzimmer sein.
Am schlimsten ist dies, daß er Ihnen einmal einen Besuch von mir
gerade zu weissaget, welches ich vor Ihnen bisher mit so vieler Mühe
geheim zu halten gestrebet; denn man mus keinem Menschen eine
Widerwärtigkeit dadurch nur noch schwerer machen, daß man
sie ihm
voraus verkündigt. So aber sehen Sie nun den ganzen
Besuch zu
Ihrem grössern Misvergnügen völlig voraus.
Inzwischen können Sie
kek mit die Schuld auf drei gewisse
vortrefliche Frauenzimmer
schieben, die ich gesprochen habe und daher öfter zu sprechen
trachte.
So ziehen sich einige Leute Wespen und Bienen in die
Sommerstube,
wenn sie draussen vor dem Fenster gerade blühende
und wolriechende
Bäume stehen haben.
Verzeihen Sie mir den vielleicht zu scherzhaften Ton; ich bin dem
ungeachtet mit ausnehmender Hochachtung
Euer Hochedelgeboren gehors. Diener Hof den 9 April 86 [Sonntag].
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_161.html)