Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 2. März 1788.
Brieftext
p. p.
Lieber Herr Pfarrer
Sie versprachen mir zu schreiben, werden es aber nicht eher thun
als heute nachmittag. Ich versprach Ihnen eine Übersezung von
Rousseau’s Abhandlung über den Selbstmord: heute kömt sie.
Sie
werden beim ersten Theil der Abhandlung bemerken, daß die
Bered
samkeit und Wahrheit zwar
die nächsten Nachbarn, aber nicht die
nächsten Freunde sind.
Ich übersezte eilig und in kranken Erholungs
stunden, da die Hypochondrie mich mit ihren Dornenkronen und
Zilizien sticht, damit ich aszetische Übungen habe.
Troz der Hypochondrie oder vielmehr eben ihrentwegen überlauf’
ich Sie am 2ten Osterfeiertage. Da
man sonst zu Ostern Christen
schuf und taufte: so ersuch’ ich Sie, machen Sie mich zu
Ostern auch
zu einem. Ich wil Sie zum Gegentheil umformen oder
vielmehr
Rousseau durch seine Lettres
ecrites de la Montagne, die ich Ihnen
hier aus der
Oert[helschen] Bibliothek leihe.
Ich bitte Sie um recht viele Bände der Bibliotheque choisie,
noch
mehr aber der universelle.
Auch erfreuen Sie mich mit etwas von
Ihren neuen Mesbüchern, wenigstens mit dem Barth.
Und mit dem längsten Briefe: denn wenn gleich Christus mit
wenigen Brodten 5000 Man abfütterte: so können Sie doch kaum —
so
wenig glükken Ihnen Wunder — mit 5000 Briefen einen einzigen
Man sat machen, nämlich
gehors. Diener
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_211.html)