Von Jean Paul an Christian Otto. Schwarzenbach a. d. Saale, 2. Februar 1791.
Brieftext
Lieber Otto
Ich wil mir iezt gar nicht die Mühe geben, nur 3 zusammen
hängende Perioden zu sezen. — Also erstlich nüzt deine Dinte
meinen
Fötussen was das kalte Wasser deinem Leibe; sie iagt
die Krankheits
Materie heraus indem sie Beulen macht. — Ich
habe bisher iede
satirische Personage wie eine Pfänderstatue
angesehen, die man mit
allem Möglichen bestekt und
umhängt: du gewöhntest mich halb davon
ab; aber desto kahler
steht vielleicht alles da, besonders mein armer
Fälbel, an den
ich, ohne deine kritische Ordnung des Heils, sicher alles
Närrische gepicht und geheftet hätte, was von den weitesten
Sprüngen
der Phantasie wäre aufzutreiben und zu erspringen
gewesen. Sauer
wirds, so vernünftig zu sein. Da ich aber doch
gar zu langweilig
werden könte und da ich den Orbilius in
sovielen Seiten noch nicht
über Schwarzenbach hinausgebracht habe: so wil ich ihn
vorläufig
sizen lassen wo er sizt, damit er dir size und du durch deine
Kritik mir
Mühe ersparest oder belohnest. Ich werde dem
Schul-Emigranten von
Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn
beschreibe. — Sag alles
recht gerade heraus: nur must du, wenns
zu machen ist, Tadel mit
Lob versilbern, um welches ich dich
ausdrüklich ersuche. Im halben
Ernste: es wird mir wol thun und
ich werde wissen woran ich bin,
wenn du mir meine lucida intervalla deutlich angiebst. Das würde
anspornen. Denn solche Stunden, wo man sein eigner Provokant
ist
und wo man das Ohrenklingen der 2ten Trompete der Fama hat,
schlagen für mich so oft wie für dich (nur daß du es noch 13
mal weiter
treibst) und man mus iemand haben, dessen Stimme
man seiner eignen
entgegensezt. — Eile aber und gieb
mir Sontags alles wieder.
Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches
ich mir nimmer verbergen kan) — erlaube mir, daß ich auch einmal
etwas recht Närrisches laiche. So ein Vergnügen, womit ich
Haber
mans Reise in
[den] Teufels Papieren machte, indem ich
das rechte
Bein am arktischen Pole und das linke am
antarktischen hatte —
giebts schwerlich mehr, du müstest mir
denn erlauben, mir es und die
Reise noch einmal zu machen.
Versicherst du mir also, daß solche Seil
tänze den Leser nicht gar zu unangenehm affizieren: so mach ichs und
ich freue mich schon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube
mir diese Tour, da ich
Fälb[els] seine so ordentlich und
geographisch
mache.
Blos das anarchische Wetter hielt mich ab, meine äusserste Ab
arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen.
Dafür
trit der Himmel am Freitag etc. etc. etc. in desto schönere
Harmonie
zurük. Könt’ es der Leistschneider noch
mitnehmen: so wäre mir der
Empfang des Oberons sehr lieb. — Die Lina ist nichts für
dich.
Den ganzen Sontag versas und verruhte ich bei Herold.
Schik mir das de prodigo und mehr.
Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erst 4, 5 mal
wiedergebären solte eh er durch deine Zuckerraffinerie
solte. Denn es
wird sicher kein Stük von mir so oft gelesen
als ichs geschrieben.
Lebe wol und grüsse und scheere in meinem Namen meinen alten an
Rok und Wangen rothen Pylad.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_361.html)