Von Jean Paul an Johann Ruß (Rust). Schwarzenbach a. d. Saale, April 1781.

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Brieftext

[ Schwarzenbach, April 1781 ]

Hochgeehrtester Herr

Dieselben werden ohne Zweifel glauben, ich hätte meine Pflicht
gänzlich aus den Augen gesezt, da ich weder an Dieselben geschrieben,
noch mich mündlich nach Dero Wohlsein erkundigt habe. Allerdings
wär’ es sch[on] meine Schuldigkeit, persönlich Denenselben meine
Aufwartung zu machen. Allein die tausend Hindernisse, in die man
immer verwikkelt [ist], und die Arbeiten, die einem nicht erlauben, viel
he[rum] zu reisen [?], werden mich hinlänglich bei Denenselben ent
schuldigen, wenn ich das, was ich schon lange hätte tun sollen, bis auf
iezt verschoben habe. Ich habe mir iezt vorgesezt mich in drei Wochen
auf die Universität Leipzig zu begeben. Dieselben werden leicht ein
sehen, wie viel man Geld nöthig habe, um auf einer so theuern Uni

versität zu leben — und Dieselben werden’s auch wissen [?], wie wenig
meine Vermögensumstände hinreichen, damit die nötigen Kosten zu
bestreiten, da ich meinen sel. Vater so bald verloren, da ich noch neben
mir vier fast noch unerzogene Brüder habe. Nun hab’ ich erfahren,
daß der H. Superintendent Esper verschiedene Stipendien, und auch
Tische zu vergeben hat. Ich werde mich also meistenteils [?] auf
Stipendien verlassen. Allein noch hab’ ich keins. Nun hab’ ich er
fahren, daß Dieselben bei dem H. Superintendenten in besonderer
Achtung stehen sollen, und daß man nur [?] Dieselben nötig habe, um
bei ihm alles zu erlangen; dürft’ ich nun nicht Dieselben gehorsamst
bitten, daß Sie Sich bei dem Hern Superintendenten erkundigen, ob
noch Stipendien oder Tische zu vergeben wären, und zugleich bei ihm
die Bitte für mich einlegten, daß der H. Superintendent mir gütigst
ein Stipendium und einen Tisch zukommen liesse. Von Dero Güte
gegen mich bin ichs versichert, daß Dieselben diesem Verlangen keine
abschlägige Antwort geben werden. Ich sezze noch die Bitte hinzu,
Dieselben möchten mir es sogleich durch einige Zeilen bekant machen,
ob [für] mich etwas oder nichts zuerwarten. Ich würd’ alsdann so
gleich nach Wonsiedel reisen, und selbst bei dem H. Superintendenten
gehorsamst suppliziren, und auch bei Denenselben meiner Schuldigkeit
ein Genüge leisten. Dero Güte läst mich alles hoffen. Ich wünsche
Denenselben wol zu leben. Meine Mama läst sich Denenselben ge
horsamst empfehlen. Ich aber habe die Ehre, alzeit mich zu nennen


Deroselben
gehors. R.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K (Konzept) im Arbeitsbuch (s. zu Nr. 2). 4,25 Pflicht] aus Pathenpflicht 33 mich] aus wenigstens 5,5 Superindentend 15 Verlangen] aus Bitte

Der Adressat wurde aus Nr. 229 erschlossen; vgl. auch Nr. 178—180 und 13, 24. Johann Ruß, geb. 25. Juni 1746, gest. 19. Okt. 1827 in Wunsiedel, Regierungsrat daselbst, später kgl. preuß. Kriegsrat und Polizeidirektor in Fürth, war mit Frau Richter verwandt, s. 217, 5. Nach Feststellung von Frl. Elisabeth Jäger (Wunsiedel) wurde Rust erst 1785 Stadtsyndikus; es ist also fraglich, ob dieser Brief an ihn gerichtet ist. 13 , 24 muß es sich jedenfalls um einen andern handeln, viel leicht um denselben, an den Nr. 178 und 180 gerichtet sind. 5, 5 Johann Friedr. Esper (1732—81), seit 1778 Superintendent in Wunsiedel und als solcher Verwalter der von dem brandenburgischen Kammersekretär Joh. Friedr. Amthor 1733 begründeten Stiftung von sechs Stipendien und Freitischen für in Jena und Leipzig studierende Landeskinder; s. Friedr. Wilh. Anton Layriz, Ausführl. Geschichte der öffentl. u. Privatstipendien für Baireutische Landeskinder, Hof 1804, I, 123ff. Richters Bewerbung war erfolglos; vgl. Schneider S. 83.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_4.html)