Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Schwarzenbach a. d. Saale, 3. April 1781.
Brieftext
Insonders Hochzuverehrender Herr Pfarrer!
Ew. Hochehrwürden mus ich gehorsamst um Vergebung bitten,
daß ich
Denenselben neulich so lange beschwerlich gewesen bin. Die
selben sezzen so viel neue Gütigkeiten zu den alten hinzu,
daß es mir
schwer wird, Worte zu finden, die genug Dankbarkeit
verriethen — und
noch schwerer, so kühn zu sein, Dieselben um
neue zu bitten. Hiedurch
übersend’ ich Dero Bücher mit
gehorsamsten Danke — den Theil der
Berliner Bibliothek werd’ ich Denenselben nächstens
zurükschikken. —
Origineller Wiz und Laune herscht durch das ganze Buch
von der
Ehe; das verdrüslichste ist, daß dieses Buch so bald ein Ende hat. Es
hat eine
frappante Ähnlichkeit mit den Lebensläufen nach auf
steigender Linie. Sol ich’s wieder wagen, um
neue Schriften bei
Denenselben anzuhalten? Dero Güte gegen mich
giebt mir Muth, es
um folgende zu thun:
Bibliothek —
und um — — kaum wag’ ich’s noch einmal Dieselben darum zu bitten
— Lessing’s Fragmente. Ich befürchte nicht, Dero Unwillen
zu
verdienen, wenn ich um ein Buch gehorsamst bitte, das Dieselben
mir aus liebreichen Absichten versagen. — Dieses
Dilemma scheint
mir alzeit sicher: entweder dieses Buch enthält
Wahrheiten, oder
Irthümer. Ist’s erste, so kan nichts hindern es
zu lesen — ist’s lezte, so
überredet es entweder nicht, weil die
Gründe zu schwach sind — und
dan schadet es auch nichts — oder
es überredet. Was hab’ ich aber im
lezten Falle für
Gefahr zu befürchten, wenn ich eine Wahrheit, von
der ich nicht
aus Gründen überzeugt bin und die bei mir blos Vor
urtheil ist, mit einem Irthum vertausche, der mir
warscheinlicher und
einleuchtender ist? — Darf ich also noch
einmal — aber ich wil lieber
hundert Bücher missen, als nur im
geringsten mich Dero Gütigkeiten
und Liebe unwerth machen.
— Es folgen hier auch die kleinen Aufsäzze
oder vielmehr Übungen, um deren Durchlesung ich Dieselben neulich
bat. Wenn’s nicht zu viel gewagt wäre, würd’ ich Dieselben
gehorsamst
ersuchen, sie für Schulexerzizien anzusehen, die man
korrigirt —
Nichts müste mir erwünschter sein, als ein Tadel —
wenn ich so
glüklich wäre, ihn zu erlangen — von Denenselben,
welche es wol am
besten im Stande sind — ohne Schmeichelei
sei dies geschrieben — zu
tadeln und zu verbessern. Wie würd’ ich
mich freuen, falsche Ge
danken von Denenselben
bemerkt zu finden, oder fehlerhafte Ausdrükke
korrigirt zu sehen!
Ich hätte Denenselben mehr Monathe schikken
können; allein ich
glaubte, Dero Güte nicht zu sehr misbrauchen zu
dürfen.
Ich werde Denenselben nicht genug danken können, wenn Sie
nur
dieses würdigen durchzulesen. Doch genug von dem unbedeutenden
Dingelchen. Ich habe die Ehre mit der grösten Hochachtung zu sein
Ew. Hochehrwürden Schwarzenbach an der Saal den 3. April 1781.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_2.html)