Von Jean Paul an Renate Wirth. Hof, 30. Juni 1793.

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Brieftext

Hof. d. 30 Jun. 93 [Sonntag].

Mademoiselle,

Ich thue sonst meine Bitten nur um 5, 6, 7 Uhr — aber jezt schon
vor der Kirche. Frauenzimmer rechnen auf jede Viertelstunde einer
Reise eine Schachtel und machen keine Reise — die in die zweite Welt
ausgenommen — ohne einen ganzen Kammerwagen. Hingegen Mans
personen brauchen auf 40 Stunden nur ein kleines Koffergen. Da aber
ich und Otto II. nicht einmal das haben: so bitten wir beide Ihre
Eltern um einen recht kleinen Koffer, der so lang ist wie zwei an ein
andergelegte Damenhüte und so breit wie einer. Ich bitte Sie, unsre
Mitlerin zu sein. Aber so weit wie etwan — Oertels Gewissen darf
er nicht sein.


Ich habe noch eine Bitte, eine Frage, und eine Wetterprophe
zeiung.


Die Bitte — um Antwort auf Vormittag.


Die Frage — ob Sie heute irgendwo zu finden sind?


Die Prophezeiung — daß der Mond einen Hof haben wird.

Ich habe die Ehre mit grosser Hochachtung zu sein


Deroselben
gehors. Diener
Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin acc. ms. 1900. 60 (derzeit BJK). 3 S. 8°. J: Täglichsbeck S. 36.

387, 35 Oertel: wohl nicht der Kammerrat von Oerthel, sondern der Hofer Bürgermeister Samuel Friedrich Oerthel (Adreßbuch 1796, S. 421; Weißmann Nr. 5750), der anscheinend ein Barnickel (vgl. 186, 14) redivivus war.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_432.html)