Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 26. Juli 1783.

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Brieftext

[ Hof, 26. Juli 1783. Sonnabend ]

„Lieber Got! wie einen der Mensch plagt! wär’er doch nur wieder
in seinem Leipzig!“ Diese drei Ausruffungen wird Ihnen der Anblik
meines Briefes abgedrungen haben, noch eh’ Sie sie in ihm gelesen.
Kaum daß Sie seinen Vorgänger angehöret, beantwortet und be
friedigt; kaum daß Sie mich mit 5 Schüsseln zu guterlezt traktirt, so
schreie ich gleich gefrässigen Kindern, nach der Malzeit von neuem um
Brod. Ja, was noch mer ist, ich komme mit meiner vierten Bitte um
tägliches Brod (ich habe gerade 4 mal um Bücher gebeten) überdies
am Sonabend angezogen, den die Geistlichen gleich den koptischen
Christen so gut wie den Sontag feiern, mit Ausname derienigen, die in
ihrem Kalender 6. Ruhetage und 1. Werkeltag, und mit Ausname
Ihrer, der Sie 7. Werkeltage und keinen Ruhetag zälen. Die Not
wendigkeit wird die Zudringlichkeit, die sie veranlaste, auch ent
schuldigen. Denn ungeachtet die Prolegomene [!] auf die Oster
feiertage, die bei den Katoliken in leiblichen, bei den Protestanten in
geistlichen Fastenspeisen d. i. Passionspredigten bestehen, schon längst
geendigt sind, so macht doch mein ieziger Aufenthalt in Hof meine
Sele die Fastenzeit wiederholen, weil hier an geistiger Narung eine
solche Teuerung ist, daß wie in Samaria, sogar ein Eselskopf 30 Silber

linge gilt. Das einzige Mittel also, Leipzig ein wenig zu vergessen, ist,
Hof zu vergessen und Rehau nicht zu vergessen. Beinahe vergesse ich
über dieses Geschwäz meine Bitte, die darin besteht, daß Sie mir alle
Register über die A.D.B., welche alzeit die lezten Bände der An
hänge ausmachen, zu schikken belieben möchten. Zu einigen [?] Sa
tiren sind sie mir unentberlich; ich hoffe daher, daß Sie demienigen,
dem Sie schon lange das vielbändige Buch geliehen, auch das Register
darüber d. h. mir nach den Speisen auch den Küchenzettel derselben
geben werden.


Auf Ihren lezten Brief antworte ich Ihnen nicht schriftlich sondern
mündlich. Warum wolten wir, gleich gewissen holländischen Kauf
leuten, durch Briefe Schach spielen und uns der Unbequemlichkeit
aussezen, erst durch die Post erfaren zu können, wie der Gegenpart
das neuliche Schach dem König ausparirt habe, da wir den Spas an
Einem Tische vornemen können. — Freilich wird durch Briefe das
Spielen erleichtert, aber auch verlängert.


Das Sprichwort sagt: „wenn man den Wolf nent, komt er gerent“;
zu Ende des lezten Briefs sprach ich von Pointen und sehe es kam eine.
Mein ieziger macht eine Ausname; ich rede davon und es komt keine,
sondern ich schliesse mit der unwizigen aber aufrichtigen Versicherung,
daß etc.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: 19. An Pf[arrer] in Rehau den 26 Jul. i: Nachlaß 3,237. Vgl. Wahrheit 3,224. B: IV. Abt., I, Nr. 19. A: IV. Abt., I, Nr. 20.

97 , 35 f. Richtig 80 Silberlinge (2. Könige 6,25); vgl. II. Abt., II, 46,17. 98, 11–15 Vgl. B: „Das Schachspiel ist aus. Die Hände her. Wir lachen mit einander.“

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_53.html)