Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Leipzig, Ende Mai 1781.
Brieftext
Mit innigem Vergnügen fang’ ich an einen Brief an Sie zu
schreiben, weil er in mir das Andenken derer doppelt erneuert, denen
ich so viel schuldig, von denen ich so viel Woltaten genos und
gegen
die Liebe und Dankbarkeit meine erste Pflicht ist. Mit dem
Kammerrat
Örtel hab’ ich wegen der Gerichtshalterei gesprochen. Er ist gar
nicht
abgeneigt, sie Ihnen zu übertragen — aber er
möchte nur gern die
Gelegenheit erwarten, sie dem
K[lingsohr] abzunemen. Sobald der
Klingsohr wieder einen neuen beträchtlichen Feler machte, sobald
werden Sie an seiner stat Gerichtshalter sein. Der H.
Kammerrat
wird Sie selber
[?] einmal besuchen, wie er mir gesagt
hat. Sie könten
auch selbst einmal eine Reise nach Töpen
zu ihm machen. Da ich ihn
für Sie ser geneigt
[?] gemacht habe; so braucht
[es] bei ihm nichts,
um ihn gar auf Ihre Seite zu neigen [?],
als Ihre werteste [?] Person
zu kennen lernen [!]. —
Der grosse Jurist Hommel wurde den Sontag
begraben — er hinterlies ein Vermögen von drei bis vier Tonnen
Golds. Der iunge Örtel möchte gern verschiedne gute
Bücher, die die
Anfangsgründe der Jurisprudenz enthielten, kennen. Ich erinnere
[mich], daß Sie mir neulich etliche genant
haben. Darf ich Sie bitten,
mir diese zu schreiben? — Die Stad
ist schön, und eben[so] die Gegend
um sie herum — demungeachtet gefält mir sie nicht ganz.
Vielleicht
weil ich ihre Schönheit mit halber Sele
grüsse; indem ich den andern
Teil in meinem geliebten Vaterland
zurükgelassen habe — vielleicht,
weil ich die guten Menschen und die Freunde misse, die ich in
Sch[war
zenbach]
zurük[ge]lassen. Gönnen Sie mir bald das
Vergnügen einen
Brief von Ihnen zu lesen. Empfangen Sie noch
einmal den Dank für
das Vergnügen, das ich so oft bei
Ihnen genos — und für Ihr leztes
Geschenk, das mir um so viel
teurer ist, weil es mich an eine der
seligsten und zugleich
traurigsten Stunden meines Lebens erinnert.
Nemen Sie diesen
Dank iezt an, den ich neulich so wenig ausdrükken
konte — weil
der Schmerz eben nicht bered ist. Empfelen
[Sie] mich
Ihrer vortreflichsten Gattin — Leben Sie wol — und werden Sie
mehr belont, als man bisher in Ihrem undankbaren
Vater[land]
es Ihrem Verstand getan hat. Sein Sie versichert, daß ich nie
auf
hören kan etc.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_7.html)