Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Leipzig, 30. Juni 1781.
Brieftext
Mit vielem Vergnügen empfieng’ ich Ihren Brief, mit noch mererem
durchlas ich ihn. Ich statt’ Ihnen dafür den wärmsten Dank ab; und
füge noch die Bitte hinzu,...........
Haben Sie etwan einmal Bücher hier nötig, die Sie entweder in
Hof gar nicht, oder we[nigstens nicht] um
den genauen Preis bekommen
können — so lassen Sie mir’s Vergnügen, Ihnen meine Dankbarkeit
gegen Sie durch diese unbedeutende Dienste an den Tag legen
zu
können. — Nichts bedauer’ ich mer, als daß die Sache mit dem
Kammerrat Örtel nicht iezt
schon so gegangen ist, wie ich’s gewünscht
habe. Soviel kan ich Sie versichern, daß Sie Ihren Endzwek
völlig
noch erreichen werden — obgleich Sie ihn iezt noch nicht erreicht
haben.
Vielleicht hat der alte Örtel die ganze Sache vergessen — oder
er wil noch etlichemal erwarten, wie oft der
Kling[s]or als Dumkopf
und Nar handeln kan. Und wie schwer ist’s alte Leute zur
Ver
änderung zu bewegen — iede Neuerung
ist ihnen verhast, sie legen un
gern ein
altes Kleid ab — iede ihrer Ideen wurzelt doppelt fest in
ihrem
dürren [?] Gehirne. Ich wil die Sache durch
den iungen Örtel
betreiben so viel ich kan. — Ich vermutet’ es voraus, daß der
Klingsor
Ihre Erwartung wird übertroffen haben —
versteht sich, durch elendes
Zeug. Aber obgleich Sie
[ihm] auf alle Weise werden seine
Schwäche
fülen lassen, und ihm die Lerheit seines Gehirns auf
ieder Seite seiner
Arbeiten demonstriren — so wird er
demungeachtet sich noch für den
hochberümten S.
Kling[s]or
[halten], dazu ihn ein hoher Rat
geprägt
hat. Weil er alt ist, und Sie nicht, so wird
er die Weisheit nach der
Farbe der Hare schäzzen — und sich es
nicht einfallen lassen, daß es
auch graue E —Der Hochmut wächst mit dem Alter und der Dumheit. giebt. Ich
bedauer’ es nur, daß Sie Ihre Kräfte an
so einen elenden Man
verschwenden müssen — er verdient Ihr Gegner
nicht zu
sein[
Ihr Wiz wird wol dem Klingsor nicht viel Bekümmernis machen
— denn ich glaube fest
[!] gewis zu sein, daß er ihn nicht
versteht — und Ihre Gründe werden ihn nicht ser überzeugen — denn,
lieber Got, dan wäre der Klingsor nicht mer Klingsor.
]. — Sie werden mit mir den ehrwürdigen Man
bedauern, dessen Verlust ich Ihnen schon neulich schrieb, den Hommel.
Neulich kant’ ich ihn nur als einen vorzüglichen Juristen — iezt
kenn’
ich ihn als einen waren Menschen
[und] scharfsinnigen
Philo[sophen].
Unsterblich hat sich der Man um Sachsen verdient gemacht. Durch
seine scharfsinnigen Gründe, seine warme Beredsamkeit bracht’
er’s
dahin, daß die Infamiestrafen aufgehoben worden sind, daß
die Tor
tur, diese schwarze Geburt der
Unwissenheit, und des Fanatism, und
der Grausamkeit, in
kursächsischen Ländern abgeschaft ist — und daß
die Anzal der Hinrichtungen der Menschen gering ist.
Ja, er sol sogar,
wie man mich versichert hat, ser auf die
g[änzliche] Abschaffung der
Todesstrafe gedrungen
[haben], und’s sol nur sein Tod die
Ursache ge
wesen sein, daß er dieses
Unternemen nicht ganz zu Stande brachte.
Edler Man! wie ser
verdient deine Asche die Tränen und die Vererung
iedes
Menschen! — — Neuigkeiten giebt’s eben hier in Leipzig iezt
wenig — vielleicht aber nur deswegen, weil man sie mir nicht
sagt.
Empfelen [Sie]
mich dem H. Pfarrer Völkel — diesem würdigen Man,
dem ich so viel Dank und Liebe schuldig bin. Wie können Sie
sich freuen,
in einem Zirkel so aufgeklärter Männer zu leben,
die überal selten, und
im Baireutschen
[?] am seltensten sind. Sie werden müde
sein zu lesen.
Ich schrieb einen Brief nach der Regel der gemeinen Leute: viel
hilft
viel. Weil ich nicht gut schrieb, glaubt’ ich viel
schreiben zu müssen. —
Empfelen Sie mich Dero würdigsten
Gattin; küssen Sie an meiner
stat Dero liebenswürdige Kinder. Lieben Sie mich, und sein Sie
ver
sichert, daß ich alzeit mit der
grösten Hochachtung bin —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_9.html)