Von Jean Paul an August Gottlieb Meißner. Leipzig, 9. Oktober 1784.
Brieftext
Ich wil diesen Brief in dem Tone der Offenherzigkeit schreiben,
[zu]
welchem mir der Ihrige das Beispiel und die Erlaubnis gegeben.
Ich danke Ihnen für das nachsichtige Urtheil, das
Sie darin über
meine kleinen Satiren fällen. Beinahe macht mir
Ihr Stilschweigen
über die grössere Abhandlung zu einer ähnlichen Gelindigkeit
Hofnung…
Aber da Sie wahrscheinlich eben so wenig Zeit zum Lesen als
zum
Schreiben der Briefe haben werden, so wil ich meinen nicht
durch ein
unnöthiges Präludium zu der folgenden Bitte
verlängern, um deren
willen ich iezt an Sie schreibe.
Ich habe nämlich ein dikkes Pak Satiren für die Presse fertig ge
macht; ich habe aber noch das Wichtigste
zu thun, ihnen einen Ver
leger zu
verschaffen. Nun seh’ ich voraus, daß ich mit ihrem blossen
Inhalte, der fast gröstentheils ironisch ist, keinen Buchhändler zu
ihrem Verlage werde bereden können. Die meisten von ihnen kennen
keine andre Satire als die, welche nicht blos für das Auge
sondern
auch für das Ohr lacht und ihre Zwergfelle lassen sich
nur vom Style
eines Marots in Bewegung bringen. Mithin
mus man ihren Augen
mit fremden, welche die Stelle einer Brille vertreten und durch
die sie
besser sehen lernen, zu Hülfe kommen. Was ist iezt
leichter zu errathen
als meine Bitte, daß Sie meinen Satiren
durch Ihr Urtheil bei
irgend einem Buchhändler Zugang zu
verschaffen die Güte haben
möchten. Möchten Sie nicht
in Ihrer Antwort den Stab über eine
Hofnung brechen, an die
allein ich mich noch in einer Lage andrükke,
die mich von
allen meinen andern Hofnungen weggerissen! Doch die
Satiren
müssen Ihrer Vorsprache auch erst nicht ganz unwerth sein;
und
daher erwarte ich Ihre Entscheidung, ob ich deren einige Ihnen
zur Probe schikken darf. Übrigens hoff’ ich, daß Sie mir meine
Bitte
wenigstens verzeihen werden, wenn Sie auch sie nicht
erfüllen können.
Auch werden Sie mir vielleicht die
abschlägige Antwort noch vor dem
Ende der Messe ertheilen,
damit ich nicht, in Rechnung auf eine günstige,
die
Gelegenheit versäume, mit den iezt anwesenden Buchhändlern zu
unterhandeln. Ich mache meinen unbescheidnen Bitten ein Ende
etc.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_79.html)