Von Jean Paul an Franz Ludwig von Hornthal. Bayreuth, 7. April 1820.
Brieftext
Euer Hochwolgeboren
verzeihen mir, daß ich eine vieljährige geistvolle und leidenvolle Freundin
von mir an Ihren Richterstuhl begleite. Ihr ganzes Leben war
ein
quälendes Durchdrängen durch den verwachsenen Wald
eines Prozesses,
noch ist sie im Dikkicht der Justiz; und
wenn es sich endlich lichten
sollte, wird sie
Gerechtigkeit und — Grab zugleich vor sich haben.
Aber sie
arbeitet für ihre Kinder, nicht für ihren kurzen Wintertag
des Lebens.
Ich schreibe diese Worte nicht als Urtheil über ihre Sache — dieses
können Sie nur finden und fällen — sondern als Versuch, Ihre
Augen
unter so vielen Rechts- und Hülfbedürftigen
um Sie her auch auf eine
so bejahrte zu lenken.
Auch wollt’ ich zugleich die Gelegenheit benutzen, meine hohe und
langgenährte Achtung für den Landtags-Redner auszudrücken,
dessen
Muth und Einsicht den Glanz der edelsten Versammlung erhöhen
halfen,
die je in München gewesen.
ergebenster
Dr. Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_30.html)