Von Jean Paul an Luise Förster. Bayreuth, 31. Mai 1823.
Brieftext
Unvergeßne Freundin! Mein so langes Schweigen auf eine so große
Güte, die meinen Geburttag mit Blumen der Freude und der
Dicht
kunst umhing, war blos ein
Warten auf die rechte Zeit, wo Sie mir
(und ich mir)
allerlei Reisefragen bequemer beantworten könnten.
Eigentlich
könnt’ ich noch einen Monat warten; denn nach meinen
Aequinokzial-Beobachtungen — die ich hier zur Belehrung für das
ganze reisende, spazierende und gartenbauende Dresden
beilege — wird
der nächste Monat schlecht. Indeß kann ich Sie doch schon
mit Fragen
plagen, ob im darauf folgenden die Frau
v. d. Recke noch in Dresden —
ob ich mein altes Lenzhäuschen und zwar mit Möbeln und
Aufwartung
wieder haben kann — ob ich da der Badezeit
wegen meine 3 lieben Adel
Dichter (Kalkreuth, Loeben und Malsburg) noch
finde. Wie viele
Fragen hab’ ich gleich einem Philosophen und Politiker
noch! Wie
weit ist mein lieber Tieck hergestelltZum Glücke hat mir eben das
Abendblatt geantwortet. Wird Eslair im
July noch da sein?
, dieser wahre Shakespeare’s
Seher und lebendige Schlüssel zu diesem alten
Zauberpallaste, und der
herrliche Baumeister des
humoristischen Bedlams in der Novelle?
— Herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Dichter und Gemahl für den
Liederkranz ohne Dornen, dessen Pflücken und Flechten ich
wahrschein
lich zunächst Ihnen
beiden verdanke. Danken Sie noch in meinem
Namen den Herren
Kuhn, Breuer, Hasse und Hell; in Ihrem und
meinem zugleich aber Ihrem biedern Gatten.
In einem besondern Absatze sag’ ich noch Böttiger Dank,
den
Krankheit und Gelehrsamkeit nicht abhielten, mit mehr Laune
zu
dichten als andere, die langbeinig darin wettlaufen. —
In einem besondern Absatze sag’ ich noch Malsburg Dank, der
meinem
Herzen als Mensch und Dichter zugleich wohlthut. —
In einem besondern Absatze sag’ ich noch den Grafen Kalckreuth
und Loeben
Löbens Liedchen ist besonders niedlich.
Dank, für welche das vorige Lob sich wiederholt. —
Und in einem besondern Absatze sag’ ich endlich der lieben Therese
v. Winkel Dank, die zugleich malt, singt, spielt
und dichtet und deren
Feinde (worunter ich zum Glücke nicht
gehöre) wol verdienen, daß sie
der Teufel holt.
So könnte sich jeder ein kürzestes Dankbriefchen aus dem langen an
Sie, meine geliebte Luise, herausschneiden, und ich will
daher kein Wort
auf die andere Seite schreiben, damit Sie die
Scheere eingreifen lassen.
— Milde Maria, ich küsse dich,
nehme aber dazu die lieben Mutter
lippen. Leben Sie froh und antworten Sie
mir viel und zehn mal mehr
als ich geschrieben und
gefragt.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_380.html)