Von Jean Paul an Georg von Reichenbach. Bayreuth, 24. September 1824.
Brieftext
Hochzuverehrender Herr Salinendirektor!
Als ich vor 4 Jahren das Vergnügen genoß, daß Sie mir Ihre
optische Kunst-Maschinerie, gleichsam das Arsenal zur Augen-Bewaff
nung, zeigten — wodurch Sie den
Himmel, aber mehr astronomisch als
der h. Stephanus, offen
sehen —: so errieth ich nicht, wie sehr ich
einmal Ihrer optischen Meisterschaft bedürfen würde, um
statt des
Himmels wenigstens die Erde sehen zu können. Seit ¾
Jahren martert
mich eine wachsende Augenschwäche, daß ich
blos mit konkaven Brillen
— die ich sonst nur für die
Ferne gebrauchte — zu lesen und zu schreiben
vermag. Die
kurze Sehweite, in der ich den beigelegten Druck lesen
kann,
gibt der rothe Faden an. Ich gebrauchte — leider zu oft wechselnd
— Holgläser von Tauber in Leipzig — periskopische von
Osterland —
sogar von Schmidt in Nürnberg — aber den meisten scheint
jene
mathematisch strenge Reinheit, und jene, einem
kranken Auge unent
behrliche Vollendung
zu fehlen, welche nur ein Meister wie Sie, der
mit seinen
Telegraphen sogar die brittischen überbietet, wahrscheinlich
allein, den kleinern Auxiliaraugen zu geben versteht.
Ich bitte Sie daher, mein Augenarzt zu werden, und mir konkave
Doppellorgnetten — in Stahl oder Schildkrot gefaßt — von No. 10
(inclusive) bis No. 4 herab zur Auswahl und Probe für Lesen am
Tage, Lesen bei Nacht und Sehen in der Ferne mit der Post zu
senden.
Die Abnahme meiner Augen und die Abnahme der Tage
werden meine
Bitte um baldige Hülfe entschuldigen; für die
ich Ihnen unendlich
danken würde. Mit der größten
Hochachtung und Hoffnung
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_451.html)