Von Jean Paul an Sophie Paulus. Mainz, 10. August 1817.
Brieftext
Meine Sophie! Das erste hier geschriebne Wort ist an Sie. In
Mannheim konnt’ ich mich abends aus dem Zimmer, worin so viel
Liebes gewesen, nicht heraus bringen; morgends konnt’ ich
eben darum
nicht mehr darin bleiben, sondern ging (für
den ganzen Tag) zu
Sternberg, dessen Gattin anstatt im Wochenbette (wie das
Gerücht
gesagt) blos einige Stunden auf Spaziergängen gewesen
war.
Dieser Sternberg bietet mir nun einen halben Himmel
und — wenn
Sie ihn theilen — einen ganzen an. Er und andere
meiner Freunde
wollen nämlich für den nächsten
Sonntag (den 17ten) die Aufführung
der Oper Vestale von Spontini veranstalten, welche die
h[eilige]
Madonna unter den Opern (die andern sind dagegen nur
Nonnen)
sein soll. Sonnabends käm’ ich in Mannheim an — Sonntags
kämen
Sie mit den Ihrigen an — bis um 9 Uhr hörten wir die
Sphären
töne — nachher führ’
ich mit Ihnen nach Heidelberg zurück und die
Sphärentöne klängen fort — und in der Geisterstunde stiegen
wir
mit Herzen voll Tönen und Geistern aus. Ich hätte
freilich des
Guten zu viel; aber Gott hat mich auf meiner
Reise daran gewöhnt.
Schreiben Sie mir das Ja oder Nein nach Mainz. Jetzo haben
Sie doch den ersten Stoff zu einem Briefe — den
zweiten können Sie
aus der bisherigen heidelb. Geschichte nehmen und den dritten aus
Ihrer oder meiner Seele. Ihre wäre mir aber lieber. Sie und
der
Rhein gehören nun in meinem Herzen zusammen und wo
ich ihm
auch begegne, wird Ihr Bild wie das eines Gestirns auf
ihm
schwimmen. Die Stunde des ersten Sehens wird
ihn verschatten
oder überglänzen überall, wo er auch noch
schöner ströme.
Wie oft setzt’ ich mich gestern in meinem einsamen Wagen rück
wärts, um nach den theuern heidelberger Bergen zu schauen,
welche
in der Ferne glänzten, als über der Gegend um mich die
Wolken
standen!
Ihre geliebte Mutter, Ihr lachender Vater und Ihr dienstge
fälliger Wilhelm seien gegrüßt! — Lebe
wol, Sophie!
Den Brief nach Mainz adressieren Sie: „abzugeben an H. Hof
rath Jung auf der hintern
Bleiche“. Ihre Ankunft in Mannheim
lassen Sie mir sagen an Baron Ungern-Sternberg wohnhaft
bei der
Kapuziner Kirche.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_306.html)