Von Jean Paul an Caroline Richter. Heidelberg, 19. August 1817 bis 21. August 1817.
Brieftext
Theuere! Ich schreibe wieder auf meinem heiligen Berge. Gestern
kam ich aus Mainz zurück. Sonnabends reis ich von hier
ab zu —
dir. Sollt’ ich Dienstags nicht pünktlich eintreffen: so
schreibe ja die
Zögerung nur den wechselnden
Kutschern zu. Schöne Wunder nach
Wunder hab’ ich erlebt!
Bis Bingen bin ich gekommen — der er
habene Rhein strömt nun ewig vor mir
— In allen
Ich kenne ja nur Mainz und Mannheim; aber ich dachte an
Frankfurt,
wo man auch allerlei schon vorbereitet.
Städten
wurd’ ich auf gleiche Weise aufgenommen — Am Abend
meiner
Rückkehr und Wohnung bei Sternberg gebar
Rosalie ohne Auf
wand von Gesundheit einen
Sohn, der das Kraftmodell aller Neu
gebornen sein könnte — Mit der
Schwester der Marianne Lux, die
vor mir hier auf diesem Berge früher ungenannt vorbeigegangen,
fuhr ich von Mainz nach Worms zu ihrem
unglücklich—machenden
Manne; freilich ist sie kaum die halbe Schwester, aber
doch gut —
Es ist unmöglich, nur ¼ zu erzählen. Hier nur ein
Register der
künftigen Erzählungen. Sonnabends vor 8 Tagen
fuhr ich mit der
Familie Paulus nach Mannheim, wo
die treffliche Mutter deinen
Dimitty so klug einhandelte wie du. — Abends erste
Rheinschau, eine
unsterbliche Stunde — Am andern Tage bei Sternberg; — die
frohe
Rosalie — abends bei dem General Vincenti zu Thee, und
einer
Musik aus einem wahren Nachtigallenneste — Sonntags
nach
Mainz; der edle
Jung, dein Verehrer und Liebhaber, hat drei
edle Söhne um sich und eine fast noch edlere aber
kränkliche Tochter
— Zusammenleben mit dem Präsident Jacobi (der Sohn des
alten
Jacobi) und seiner mir auch unvergeßlichen Frau, der
Gott statt
der Schönheit und des einzigen im 24 Jahre verstorbnen
Sohnes
Ehehimmel gab — Zusammenleben mit dem
liebenwürdigsten preu
ßischen General Krauseneck aus
Baireut, der in diesem Herbst nach
BaireutAuch Sternberg geht
vielleicht im Herbste durch Baireut über Dresden
nach Liefland.
reiset seinem Bruder zu — Fahrt nach Wiesbaden,
zu Schuckmann, der aber gerade zwei Stunden vorher genesen
nach Kölln abgeschifft war .... Bei dieser Stelle
kam gestern dein
lieber Brief. Hier Antwörtchen: in Aschaffenburg war ich nicht
— Wie könnt’ ich jetzo Noten aus Karlsruhe bekommen? — Appel
sinen gibts hier nicht. — Wie kannst
du von Bezahlen des Dimitty
schreiben? Es ist das einzige was ich dir mitbringen
kann; — das
andere war zu theuer gegen deine
Angabe; aber manche fremde
Geschenke für dich und die Kinder bring’ ich ..... In
Mannheim
veranstaltete der General Vincentini
[!] und andere Freunde (so wie
abends ein Ständchen) die Aufführung der Oper Vestalin,
von
Spontini, welche mich durch ihre Schönheiten ordentlich
auflösete
und entkräftete; ich hätte auf den
Tönen davon schwimmen mögen
aus dem Leben. — Welche liebe
weibliche Gestalten kamen nicht vor
mich! Ich habe seit
10 Jahren nicht so viel und so viele und so
jugendlich empfindend geküßt als bisher; aber ich fühlte
dabei das
Feste und Hohe und Durchwurzelnde der ehelichen
Liebe, die sich
gegen jene Blumenliebe etwa verhält, wie
das Umarmen eigner
Kinder gegen das der fremden oder wie
die Trauer über der einen
Sterben gegen die über das der
andern. — Die Zusammentreffungen
mit der Appollonia und mit der Geburt des
unbeschreiblich-herr
lichen Sternbergs-Kindes sind ordentlich romantisch. — Apropos!
Ist Geld genug da (denn ich greife morgen schon das Gold
an) so
gib der Reizenstein auf
Otto’s Empfehlung die 200 fl. — Mache
meine Ankunft nicht sehr
ruchtbar[!], damit ich einen
Ausruhtag
habe. Dem katholischen Pfarrer lasse sagen,
Cotta habe das
Manuskript nicht
angenommen. — In meiner Schlafstube ist doch
alles
ordentlich eingerichtet? — Ich weiß entschieden, daß mein
häuslicher Himmel nichts sein wird und kann als die Wieder
holung des jetzigen außerhäuslichen; noch dazu wird er ihn
an
Dauer übertreffen, und dieß soll dir wol thun,
meine Treue und
Gute! —
In diese letzten mir ordentlich abgepreßten Tage drängen die
Leute alles Erfreuliche noch gar zusammen; und der neuen
Bekannt
schaften werden immer mehr.
— Lebt mein guter Kapp noch: so
stell ich ihn gewis her. Ich habe vorgestern in einer
großen Gesellschaft
eine Frau v. Krüdner, die Schelver in seiner magnetischen
Kur hat,
durch bloßes festwollendes
Anblicken, wovon niemand wußte,
zweimal beinahe in Schlaf
gebracht und vorher zu Herzklopfen, Er
bleichen etc. etc., bis ihr Schelver helfen mußte, was
manche Scherze
gab. — Ja wol, Liebe, bekomm’ ich
ungeheuer viel zu thun, ob ich
gleich auch hier
oft der Freude die schönsten Stunden für die Arbeit
abstahl. Wenn mich nur nicht die Baireuter nach ihrer Weise zu
sehr stören! Ich will jetzo viel arbeiten, viel wachen,
weniger aus
gehen und mäßiger leben
und öfter zum Körper sagen: du mußt. —
Alle deine Briefe hab’ ich richtig in Mainz und Mannheim
erhalten.
— Eben sah ich zu den Holzhauern hinab. Wie
schnell hackt das
südliche Feuer, und jeder sägt nur
allein und mit 1 Arme. — Ich
schwöre voraus, nachdem ich
das Lieben und Auffassen der Leute hier
kenne, daß du
hier und weiter alle bezaubern würdest und dich in
einen
Kreis von lauter Herzen einschlößest; den ich inzwischen
〈freilich〉 durchbräche, um deines zu haben. —
Heute geht das letzte Blättchen an dich ab. Ich bin schon voll
lauter Abschieds Gefühle. Grüße Emanuel, Flora, Otto, Amöne,
die Schubart und meinen Bruder
mit Frau. Lebe wol. Von allen
den hellen Tagen ist nun bald nichts mehr da als ein
schöner Traum;
und ich werde zu weich scheiden.
Küsse die Kinderlein. Für die Mädchen wird viel mitgegeben.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_310.html)