Von Jean Paul an Caroline Richter. Bamberg, 26. Mai 1818.
Brieftext
Meine geliebte Karoline! Ich gehe lieber heute weder zu Roten
hahn, noch zu Hake, noch zu Kunz, damit
ich dir nur schreibe. Zehn
mal mehr hab’ ich heute an dich gedacht
als du an mich, und zwar
darum, weil die Zeit
unterwegs sich mehr zertheilt und ein durch
reiseter Vormittag zehnmal länger ist als ein einheimischer.
— Zu
Hause glaubt man bei der Freude über eine Wiese an Wunder
thaten
mehrer Wiesen hinter einander. Es ist nichts. Unterwegs
wird
man kälter und fodernder. Die schönste Aussicht war mir
Nachmittags in deine Stube neben unsern Kindern. O du Liebe!
Du hast doch das Unsrige neben dir, ich aber jetzt nichts
als den
Gedanken des Schreibens. Aber morgen wird dein Auge
und Herz
mich immer umschweben und mich an einen Tag
erinnern, der heute
mir noch heiliger gewesen als bei seiner
Erstgeburt. Sei froh und
hoffend, wie ich, so
brauchen wir beide nichts weiter. — Ihr Kinder,
wollt ihr eurem Vater in der Ferne aus Sehnsucht eine
Freude
machen, so macht der Mutter eine: da wird euch der
Vater recht
lieben.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_410.html)