Von Jean Paul an Christian Otto. Bayreuth, 1817 oder 1818.
Brieftext
Lieber Alter! Jetzo thut mir das Gestern auf eine umgekehrte
Weise weh, daß ich nämlich dir Unschuldigen einen Tag —
wenn
auch selber unschuldig — zerstört und zerrissen habe.
Ich hätt’ es
nämlich nicht glauben sollen — da du ewige
Beweise des Gegentheils
gegeben — aber ich glaubt’ es auch
nur Halb und dieß Halb gehälftet
wieder durch Nachgeben für
andere.Hätt’ ich doch gestern, wie ich bei deinem
zweiten Weggange gewollt, sogleich mit dir gesprochen! —
Jeder Ort selber ist mir
übrigens einerlei; so ist
die neue Stelle in deinem Garten mir
einerlei, ja, seitdem
ich die schöne Einsamkeit und die Aussicht auf
den Himmel
meiner Wetterprophezeiungen da gefunden, sogar
nicht mehr
einerlei sondern lieber. — Du hast vor der Emma die
Abende bei der Rollwenzel so
gelobt. Kommen wieder lichtere
Abende, sogar mit Mondsicheln, so wollen wir mit
einander zum
Bier und Eierkuchen hinaus und die getödtete
Freude wieder verklärt
auferwecken. Vergib, alter Freund, und schlafe in schönern
Träumen
als mein gestriger Tagtraum war.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_365a.html)