Von Jean Paul an Friedrich von Raumer. Bayreuth, 6. März 1818.

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Brieftext

Baireut d. 6ten März 1818

So spielen wir denn die Menächmen eines wechselseitigen Irr
thums. Denn ich wußte in der schönen Verwirrung des Heidel
berger
Reichthums nichts als Ihren Namen, aber nicht dieß, daß
Sie der Verfasser der Herbstreise sind; sonst hätt’ ich meine Freude
über diese, die ich andern mittheilte, natürlicher ihrem Geber selber
bezeigt. Denn Ihr Geschenk hab’ ich wirklich doppelt erhalten, so
wie Sie vom Schicksal die Reise selber.


In Ihrem Buche lebt ein ganzer Mensch mit allen schönsten
Gliedern von Witz, Laune, Gefühl und Einsicht. Für einen Reich
thum so mancher Art ist ein Reisewagen das beste Vehikel, um ihn
zu den Lesern zu bringen und auszupacken. Daß mich Ihre poli
tische Wärme, deren Sonne das Alterthum ist, am meisten erquickte,
können Sie aus meinen eignen Werken errathen. Wie ins Gedicht
nicht der Verfasser, so gehört gerade in die Reisebeschreibung dieser
als das Menschliche, wodurch eine Reise sich über eine Geographie
erhebt.


Das einzige, was ich von Ihnen nicht geschrieben wünsche, ist
Ihr historisches Werk — sondern ich wünsche dieses blos — gedruckt.
Denn wahrlich bei meinen so ärmlichen historischen Kenntnissen
könnt’ ich Ihnen nichts sagen, was des Briefportos oder gar des
Fahrportos werth wäre. Schicken Sie aber nur dafür desto früher
das Buch dem — Publikum.


Gott erhalt’ Ihnen Ihre kräftige Jugend auf einer schon so weit
durchlaufnen Siegerbahn! Meinen doppelten Dank für die Doppel
gabe.


Ihr
liebender und ehrender
Dr. Jean Paul Fr. Richter

Meine Frau grüßt mit warmer Erinnerung der vorigen Zeit.

Textgrundlage

Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin Raumer (derzeit BJK). 3 S. 8°. K (von Karolinens Hand): Friedr. von Raumer in Breslau 6 März. (Konzept vorher.) J: Lebenserinnerungen u. Briefwechsel von Fr. v. Raumer (1861), 2. Bd., S. 88. i: Denkw. 3, 298. B: IV. Abt., VII, Nr. 96. 176,3 geschrieben] nachtr. H 9 auf einer] aus bei so H

Friedrich von Raumer (1781—1873), ein Vetter der Brüder Gerlach, die Jean Paul 1810 besucht hatten (s. Bd. VI, Nr. 270), hatte seine „Herbstreise nach Venedig“ (Berlin 1816) übersandt und dazu geschrieben: „Als ich meine zweite Reise nach Italien antrat, hatte ich die Weisung zurückgelassen, Ihnen die anliegenden Bändchen über die erste zuzusenden. Seitdem sah ich Sie in Heidelberg und dachte: qui tacet, dissentire videtur. Jetzt höre ich, daß jene Bestellung nicht ausgeführt worden ist, und will nun muthig das Päcklein noch auf die Gefahr des Abstimmens fortsenden... Gedruckte Bücher, die man jemanden schickt, braucht dieser nicht zu lesen; mit Handschriften, auf deren Zurücksendung man rechnet, ist’s etwas anders; darum darf ich keine Probe meiner künftigen Geschichte der Hohenstaufen zur Beurtheilung beilegen. Im Fall sich Ihre Frau meiner noch erinnert, bitte ich mich ihr zu empfehlen.“ — In einem undatierten Billett an Otto erwähnt Jean Paul den übersandten „herrlichen Raumer“.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_381.html)