Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 31. März 1818.
Brieftext
Mein guter theuerer Heinrich!
Wenn ich nur gleich hundert Dinge auf einmal sagen könnte!
Wie soll ich euch köstlichen Menschen für euere Herzen
danken? Ihr müßt eben mit meinem einzigen vorlieb nehmen.
—
Für deine gute Mutter ließ ich einen Aufsatz
abschreiben, der in
Heidelberg gezeugt und in Baireut
geboren wurde, sogleich als ich
da angekommen war, und welcher im Sommer in einer
Aufsatz
sammlung der Spazier erscheinen wird. Du kannst ihn jeden lesen
lassen, der ihn nicht drucken läßt.
Dir schick’ ich einen andern medizinischen, den ich über meinen
Körper an einen Berliner Freund und Arzt geschrieben, weil
ich mir
eine größere Kälte geweißagt hatte als eintraf. Sorge dich
aber
nicht; meine halbe Arzeneikunde hilft mir mehr
als ein ganzer Arzt.
Was hilft mir indeß das längste Leben?
Mit den Jahren wachsen
meine Exzerpte und Entwürfe und ich
komme unter die Erde, eh’
ich sie nur halb beschrieben und
ausgelacht. — Da die herrliche Ende
— die dich, was kaum glaublich, beinahe so sehr liebt wie
ich und
die noch dazu immer mit zwei Herzen zugleich
liebt, mit ihrem und
des Sohnes seinem — das Päckchen in den
Himmel mitnimmt, in
welchen sie morgen fährt: so kann ich einigen Gönnerinnen
meines
Geburttages nicht schriftlich danken, wie ich wol
anfangs gewollt;
weissage also meinen Dank der trefflichen
seltenen Bürgermeisterin —
der geschickten Tiedemann
und der kunstreichen Harscher, deren
Bitte ich auf eine bessere Art als sie will erfüllen werde
— der
Morgennachtigall Schwarz —
der schönaugigen Hegel et Com
pagnie, welche letzte du, Alter,
bist — der herzvollen Dapping —
und dem Dichter Schuhmacher, der
in schalkhaften naiven Gedichten
zumal bei solcher Herrschaft über den Versbau ein
Meister werden
kann und häufig ist. Euere Pathengeschenke,
ihr gar zu Guten,
kamen gerade an meinem Tauftage (den 22ten) an. Kurz ich hatte
mein
Vorfest der künftigen Heidelberger Feiertage. — Mein
Monplaisir und Sans-Souci in Heidelberg will ich mir im Gasthofe
an deiner Hand auswählen, wenn ich darf. Ist das
Gartenstübchen
von Paulus im
Hause oder wirklich im Garten? — Grüße mir recht
warm meine SophieApropos! grüße
sie mir doch noch einmal. Das dritte mal kann auch nicht
schaden.
und ihre Mutter und den Vater. — Erschrick
nicht, du Hülfreicher, über das lange
Druckfehler-Verzeichnis, das
sogar durch ein doppeltes Augenpaar der Liebe nicht dem
Buche
zu ersparen gewesen bei der Unleserlichkeit und
häufigen Fehler
haftigkeit des
Manuskriptes. Aber desto wichtiger ists, daß Engel
mann mir die übrigen
Aushängebogen — vom 11ten des 2ten Theils
an, und vom 6ten des dritten — übermacht. — Gerade 3 Wochen
schönes Wetter kommt mit heute.
— Und so lebe denn wol, du lieber Geliebter! Morgen hab ich
gewiß einen Brief von dir in der Hand. Der ehrwürdige Vater mit
der Mutter sei noch besonders gegrüßt.
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_395.html)