Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 31. Juli 1818 bis 3.August 1818.
Brieftext
Mein guter Heinrich! Ich will doch wenigstens einen Schreib
anfang machen. Deine zwei Briefe hab’ ich erhalten. Meinen —
sammt einem an Schelver und
einem Emma’s Briefchen — wirst
du auch bekommen haben. Ich genieße Heidelberg weit mehr auf
deinem Briefpapier als auf seinem Stadtpflaster. — Über
die
Sphärenmusik kann ich dir nur aus dem Gedächtnis —
weil mir die
Stellen darüber in meinen Exzerpten nicht in die
Hände fallen wollen
— das was du auch selber weißt sagen,
daß man früher die Kreise,
welche durch die Gestirne um
die Erde beschrieben werden, für wol
tönend gehalten, und daß man nur aus ihrer Unaufhörlichkeit unser
taubes Ohr dagegen hergeleitet, und daß man später, als
man den
Gestirnen Geister gegeben, diesen die
Wollaute zugeschrieben. —
Deinen Shakespeare kann ich Vorrede und Noten wegen gar nicht
erwarten und selber die beste Übersetzung steht mir
dagegen zurück.
— Der nächste Winter wird ein grimmiger
Wolfmonat. Ob ich
gleich nicht fürchte, daß dieser Wolf
über mein Leben Herr wird:
so schreib’ ich hier doch, was
ich schon längst dir sagen wollte,
schränkten Ordner, Chorizonten und Herausgeber meines
ganzen literarischen Schreibnachlasses hier feierlich ernannt,
— wenn du magst. — Und dieß hier sei die Bestallung zu
meinem geistigen executor testamenti. Warum ich keinen nähern
Freund wähle, darüber frage in deiner Antwort nicht. Alles was
du thun wirst, ist mir schon hier recht, geschweige dort. Ich hoffe
aber, daß du nach Baireut als mein Gast früher kommst denn als
mein Executor. —
Baireut d. 31. Jul. 1818
Rede in deinem Briefe nicht viel darüber, höchstens ein Ja oder
ein Nein.
Noch schweigst du? — Nur bis morgen wart’ ich, dann geht dieses
Blatt ab. — Warum will Engelmann
das Mspt des Sieben
käs nicht dem Rezensenten geben, da
du und ich für die Rückkehr
stehen? — Du erfreuest und bereicherst mich
du[rch] deine Anekdoten.
Heidelberg wird durch seine Lage für Reisende andern eine
Art von
Kaleidoskop. — Mein Aufsatz über die Doppelwörter wird
nur durch
die Menge anderer Fortsetzungen am Einrücken verhindert.
—
Gegenwärtig schreib ich mein Leben. Ob ich gleich
jedes andere
lieber und feuriger schriebe: so mußt’ ich doch daran,
da meine innere
Biographie niemand kennt als Gott
und ich und der Teufel. Indeß
wird die Form dieser
Lebenbeschreibung anders als die aller andern
bisherigen.
Wieder nichts! — Ich will mich aber doch nicht ängstigen.
Gewöhnlich verursachen die leichtesten Zufälle
Verzögerungen statt
der gefürchteten. — Grüße mit deinem
und meinem Herzen zugleich
deine geliebtesten Eltern; und
unsere Gemeinfreunde und Freun
dinnen grüße.
alter
Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_449.html)