Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 14. Juli 1818 bis 17. Juli 1818.
Brieftext
Mein immer mehr geliebter Heinrich, denn daran sind deine Briefe
und Thaten schuld!
Glücklich bin ich angekommen und noch glücklicher geworden unter
den Meinigen. Im nächsten Briefe will ich mir Zeit nehmen
und
dir ein ernstes warmes Wort über oder für Ehe,
Frau und Kinder
sagen, wiewol die nächste Nachbarschaft
deines Herzens dir täglich
dasselbe Wort durch Thaten predigt. — Laße mich zuerst
die Ge
schäfte abthun. Daß mir
um des Himmels und der Leser Willen
ja nicht der Setzer die Druckfehler, die er so gut und
reichlich gegeben,
zum zweiten male wieder zu setzen und
anzuzeigen vergesse! Ich bitte
dich, Heinrich. — Ferner
lasse dir vom Engelmann selber buch
händlerisch sagen bis auf
den Viertelbogen, wie stark der 3te und
der 4te Theil ausgefallen,
damit ich es eben so buchhändlerisch an
meinen Verleger schreiben kann, der ohne seine Schuld
mir noch
über die Hälfte des Ehrensolds schuldet. — Betreibe
endlich die
schnelle Absendung der Freiexemplare. — Und
dann bist du, wenn du
noch das Geld für den englischen
Einband des Siebenkäses der guten
Koch ausgelegt, aus deinem Siebenkäsischen Fegefeuer
heraus und
du gehest dann geradezu in den Siebenkäsischen Himmel,
indem du
nämlich das Werk selber von vornen herein
ordentlich liesest; —
was ich stark fodere, weil du für
deine übergroße Korrektor-Liebe
gegen mich wenigstens
wenn nicht einen Grund, doch einen Lohn
finden
sollst. — —
Weiter wüßt’ ich nichts, was ich dir von Plagen und Handlungen
noch anzusinnen hätte.
Aber wegzulassen bekommst du einige, nämlich deine für deine
Zeit zu lange Schreiberei über Schlegel und Sophie Paulus. Du
thust beiden Unrecht, nicht im Allgemeinen
sondern in Rücksicht
meiner. Wie soll Schlegel auch nur irgend einen Antheil an mir
nehmen, da ich ihn immer ohne einen und mit lauter Scherzen be
handelt und nicht einmal Abschied
genommen habe, freilich auch
weil ich und er nie recht bei
einander angekommen waren? Ich
vergäbe ihm auch jede
pedantische Geckerei und Glanzsucht, wäre
nur sein Innen
und Außen nicht ein langes Eisfeld selbsüchtiger
Kälte
gegen Menschen und Wahrheiten und Wärme; er will nichts
hören [
gestrichen:
(nicht einmal Gott)]
Nie werde dieser Brief gedruckt, auch nach meinem Tode;
nur Worte über einzelne blos an einzelne braucht man
nicht auf die Wage zu legen. als sich selber und im
Meere der Ewigkeit will er nichts sehen als sein
Spiegelbild —
Übrigens legst du seinem Äußern bei
der Wasserfahrt gewiß mehr
Anmaßung unter als da war;
warum ertrug er denn mein kleines
Necken so lammhaft?
—
Dein gutgemeinter Ärger über Sophie — aber nicht die Liebe
quelle desselben — hat mich
halb komisch ergözt: Lasse sie doch die
Ellbogen
aufstemmen und sie zärtlich anhören, wen sie will: was
geht es uns an? — Ich habe selber sie in der ersten Stunde (was die
Mutter dem Frankfurt unrichtig
zuschrieb) nicht so behandelt und
gefunden wie sonst. Soll sie denn am alten Hausfreund
ihrer Mutter
keinen Antheil nehmen? Aber seltsam
genug hat sie ihn nie mit
Einem Worte gegen meine
Ausfälle gedeckt; liebt sie nun auch nur
mäßig: so kann
sie wenig Freude an mir gefunden haben. Freilich
so wie
du, konnte nicht sie mir zum zweiten male vorkommen; denn
für dich hat die Abwesenheit mich noch mehr erwärmt, für sie fast
abgekühlt, da ich gar zu wenig Liebe und Nachsicht für
andere
Menschen bei ihr finde. Zu reden und zu
schreiben versucht und ver
mag sie
auch nicht sehr; aber was könnt’ ich ihr vollends seit der
Abreise je mehr zu schreiben haben? Eine Freundin büßt man leichter
ein als einen Freund. — Gerade dir entgegengesetzt,
vergeb’ ich ihr
10 mal lieber das Lieben als das
Heirathen des Schlegel. Er freilich
wird, wenn sie auch nur mit Einem Flügel an seinen
Spinnenfäden
klebt, sie so lange darin umdrehen bis er
sie umstrickt in die Kanker
höle
ziehen kann; aber einen ihres Charakters und ihrer Begeisterung
für mich unwürdigern 53jährigen Gatten voll Eis und
Schaum
wüßt’ ich nicht für sie, der ich gern einen Voß, einen Carové zuge
führt hätte; aber dann sollte sie mir
nicht mehr Paula (von Vater
und mir her) sondern Saula
heißen. — Künftig schreibe mir lieber
recht viel von Auth; welchen zu sehen sogar deine Pflicht der Wahr
heitliebe ist.
Thiedeman — den und dessen liebe Gattin grüße — gefiel
mir
sehr von seinem Gesichte an bis zu seiner Vielkenntnis.
Die magne
tische Ketzerei stört mich
an ihm nicht, wenn er nicht ein Verfolger
wird. — Drei
Paar Weiberhandschuhe hab’ ich im Gasthofe gelassen;
schwerlich aber hat sie die wiedergebende Hand
gefunden. — Deiner
guten Mutter drücke die Hand, die so
schön gibt und schreibt, und
die kräftige deines Vaters. — Grüße die Boie’s sehr. — Grüße in
Paulus Hause Eltern und Tochter, und danke der Mutter
besonders
für ihre letzten Gefälligkeiten
gegen mich. Du lebe wol, mein alter
unverändert-warm fortgeliebter Mensch!
Grüße mir Schuhmacher recht; ich fürchte, ich habe in der Eile
der Abfahrt nicht warm genug für seine Mühen und
Gesinnungen
Abschied genommen. Sein Gedicht über
die Künstler ist des Künstlers
würdig und er
fahre nur fort.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_441.html)