Von Jean Paul an Anna Dorothea Elisabeth Gräfin de Chassepot. Bayreuth, 22. Juli 1819.
Brieftext
— Und hier ist meine Hand, aber leider nur die, die ich schreibe,
nicht die andere, womit ich die Ihrige drücken würde für
Ihren so
schönen Brief. Meine Reise nach Stuttgart ließ mich so lange
schweigen. Und diese lange nimmt mir auch die kurze zu
Ihrer ge
liebten und verehrten Herzogin.
Wenn ein Autor so viele Freuden
genossen: so muß er nicht größere suchen, sondern erst die
vorigen
durch Fleis verdienen. Aber wär’ es denn ganz
unmöglich, daß ein
Zugparadiesvogel — wenn der kühne Ausdruck
erlaubt ist — auf
seinem Fluge nach Paris sich für
einige Tage in Baireut niedersenkte?
Werden die Freundinnen Ihrer Herzogin denn ein Paar
seelige
Tage für einen dürftigen Autor nicht entbehren
können, der in
Baireut — die Gegend ausgenommen — wenig Zauberisches
findet
und dem sogar in Stuttgart mehr die Erde als der Himmel, welcher
ihm überall seine Wolkenmauern entgegenstellte,
günstig gewesen? —
Herzlich würd’ ich mich freuen, wenn ich ein Paar Tage lang Zeit
bekäme, Ihnen für Ihre Güte zu danken.
Meine Frau und ich bitten Sie, die Frau Herzogin unserer innig
sten Verehrung zu versichern. Die Frau
v. Ende, die nun bei Ihnen
sein wird, grüßen wir herzlich; ihr geht es, wie
sich gehört, sie wird
täglich gesünder und froher.
Leben Sie wol und machen Sie, daß ich auch wol lebe durch Ihre
Antwort.
ergebenster
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_548.html)