Von Jean Paul an Anna Dorothea Elisabeth Gräfin de Chassepot. Bayreuth, 20. August 1819.
Brieftext
Ich wollte, im Loben anderer Menschen wäre nur halb so viel
Liebe als in Ihrem Schelten; und ich danke Ihnen für jedes zornige
Wort. Daher werd’ ich auch — kommen, wenn der Himmel
will,
nämlich der blaue. Aller Zauber der Menschen und
der Landschaften
geht mir unter auf Reisen, wenn
Wolken ihre elenden grauen
Schatten darauf werfen; nur zu
Hause kümmert mich kein Wetter.
Gegen das Ende Augusts fällt
gewöhnlich die Entscheidung des
Septembers; und jetzo schon
kommen täglich Vorboten einer ange
nehmen
an. Wenn ich dann nun mitten unter einer weiblichen
Seelenflora lebe und eine schon aus Raum- und Zeitferne von mir
angebetete Fürstin auch in dem kleinern und nächsten Kreise ihres
schönen Wollens und Handelns erblicke, und wenn der Himmel
von
oben zum Himmel von unten offen kommt: so werd’
ich Ihnen viel
Dank für einen schönen Zorn zu sagen haben,
ohne welchen ich meine
Himmelfahrt versäumet hätte.
Versichern Sie die Herzogin meiner
wärmsten Dankbarkeit für das reiche Anerbieten meines
Herbst-Edens.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_558.html)