Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 8. Dezember 1810.
Brieftext
Dein Blatt fand ich am Morgen; es war meiner so lange ver
lechzeten und ausgetrockneten Seele ein Blatt voll warmen
Regen.
— Habe Dank dafür! — Die Kinder sind glücklich. —
Obgleich
man mir heute den Dobeneck fast
todt ansagte: so ist er doch
durch einen Rath, den ich seiner Frau schickte, auf einmal
wieder
besser. Der neue Arzt, den man aus Kulmbach geholt,
bestätigte
alle meine Rathschläge. Eben komm’ ich von ihr; — ihre
heißen
Thränen sind nun getrocknet, Gott gebe, auf lange; denn ein
mal stirbt doch jeder Familienvater. —
Mußt du bleiben, so schreibe
sogleich an deinen Vater, damit
er vielleicht dich sieht — Frankiere
nichts; es ist doch Bezahlung aus derselben Hand — Nacht
Wachen
sind dir durch den Brief an Ludwig schon versagt — Die
Krämpfe deiner Schwester, so fürchterlich sie dem Zuschauer
sind,
hab’ ich bei Amöne, Ottos Schwester
und andern oft erlebt, sie
sind ohne Bedeutung, ja sogar ohne Empfindung ausgenommen
für das Auge.
Seltsam wars, daß heute beide Kinder herein sprangen und
sagten: die Mutter ist da! — Sie hatten dein Portrait von
Meier
gefunden. Dieses sollen sie aber auch, bis du wiederkommst,
als
Madonna verehren bei mir. Leb wol, wenn es hienieden
mög
lich ist.
[von Max eigenhändig:] meine libbe muder
Max.
[Adr.] Frau Legazions Räthin Richter, Altenburg in Sachsen.
Abzugeben bei H. Kammer-Verwalter Ludwig auf dem Kornmarkte.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_401.html)