Von Jean Paul an Flamin Cloeter. Bayreuth, März oder April 1811.

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Brieftext

Konzept
[ Bayreuth, März oder April 1811 ]

[a.]

Endes Unterschriebner glaubt der Wissenschaft, dem Verdienst
und dem Bedürfnis es schuldig zu sein, unaufgefodert das Zeugnis
zu geben, daß er nicht nur aus dem Privat-Unterrichte seines Sohnes
den Jüngling Fl[amin] als einen geist- und kenntnisreichen Kopf
sondern auch bei den öffentlichen Prüfungen als den Ausgezeich
[netsten] kenne, welcher immer die Preise des Fleißes, der Sprach
kenntnis, der Mathematik und der Philosophie erhalten 〈erhielt〉;
und daß endlich er diesen intellektuellen Werth noch durch seinen
moralischen verdoppelt.


[b.]

Paupertas cum nemini dedecori sit, qui scientiarum et vir-
tutis divitiis abundare nititur, sane non est quod erubescat is,
qui sibi has literas s[c]ribi voluit, juvenis ornatissimus Jo.
J. F. C. Nam tanta hic juvenis flagrat discendi cupiditate,
ut quasi sponsores esse possimus, non sine voluptate quicunque,
Cl. progressus explorare voluerit re ipsa esse intellecturum,

eum non in linguis solum, sed in Philosophia et Mathesi potis
simum, quantum quidem haec aetas patitur, admodum pro
gressum esse. Est igitur dignissimus, qui cuique harum lite
rarum lectori de meliori commendetur, compensaturus, quid
quid beneficii acceperit, et fautoribus et patriae.


Scribebam B[aruthi]

R.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

a) K: Cloeter — (Text durchstr.; davor doppelt unterstr. Kürze:) b) Sammlung Kippenberg, Nr. 3132, auf der 3. Seite des von Kirsch für Richter ausgestellten Testimonium paupertatis. 187,4 glaubt] davor in Klammern gibt dem Fl. C. als Augen- und Ohren-Zeuge mit Freuden das Zeugnis, 7 geist-] aus talent- 9 der] davor gestr. guten Betragens 14 f. scientiarum et virtutis] aus virtutis et scientiarum

Johann (Leo) Julius Flamin Cloeter, der zweitjüngste der sieben Söhne des Amtsverwalters (vgl. Nr. 305 und 314), geb. 22. Nov. 1790 in Schwarzenbach, verließ zu Ostern 1811 nach fünfjährigem Besuch das Bayreuther Gymnasium (an dem er später als Professor wirkte) mit dem Prädikat „vorzüglich-würdig“, um in Erlangen klassische Philologie zu studieren. Das lateinische Zeugnis lehnt sich großenteils wörtlich an dasjenige an, das der Rektor Kirsch im Mai 1781 dem von Hof nach Leipzig abgehenden Richter ausgestellt hatte; nur die Worte 14 scientiarum et und 20 et Mathesi sind hinzugefügt, 19 progressus an Stelle von profectus gesetzt, einiges weggelassen und der Schluß verkürzt. Vgl. Wahrheit 3, 118f. und F. J. Schneider, Jean Pauls Jugend (1905), S. 82f. Ob die deutsche oder die lateinische Fassung zur Verwendung kam, ist nicht bekannt.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_472.html)