Von Jean Paul an Franz Wilhelm Jung. Bayreuth, 24. Oktober 1812.

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Brieftext

Baireuth d. 24. Okt. 1812

Mein guter, recht herzlich von mir und meiner Frau geliebter
Jung! Mein Schweigen misverstanden Sie gewis nicht. Ich
schreibe nichts lieber als Briefe, und nichts seltener als diese; aber
eben darum, weil man gern sich aussprechen wollte und doch nicht
Raum und Zeit genug dazu hat. — H. Neberich, der mir viele
Kenntnisse der Bücher und sogar ihrer Verfasser zu haben scheint,
wird Ihnen die Grüße, die ich ihm in den frohen Stunden mit
ihm an Sie mitgegeben, geschrieben haben. — Meine Vorschule,
worin Ihres melodischen Ossians gedacht wird, erscheint zur Oster
messe, wie auch die Levana; beide verbessert und sehr verstärkt. —
An Ihr Museum werd’ ich bald wieder ein Witwen-Scherflein
abgeben. Dürft’ ich nur bloße unverbundene Ideen und Einfälle
zuschicken — welche doch immer eine gemischte Zuhörerschaft am
leichtesten ansprechen — so schiffte ich da meine Heller- (nicht
Silber-)Flotte öfter aus. — Ist es gegen die Gesetze des Museums,
wenn ich einige Aufsätze, besonders den über die Entstehung der
ersten Pflanzen und Menschen, bereichert in eine Sammlung un
gedruckter in der Herbstmesse 1813 aufnehme? Schwerlich, da ja
Fichte, Müller u. a. schon von einem Hörzirkel theuer bezahlte
Vorlesungen sogleich darauf wolfeil über den weiten Lesezirkel aus
streuen. — Meine Lebenbeschreibung geb’ ich gewis, falls ich sie
erlebe; sie wird aber mehr eine des Innern sein wie bei Moritz,
als eine des Aeußern wie bei Goethe, und wird den Jünglingen,
Dichtern, Seelenlehrern und Armen vielleicht bald Licht, bald Trost
gewähren. — Die dritte Briefseite bleibe meiner Caroline offen. —
Es geh’ Ihnen wol, guter Mann! Erhalten Sie im Dunkel der Zeit
sich Ihr Inneres wie einen Lichtmagneten, der noch Nachts mit den
Stralen leuchtet, die er an der Sonne gesogen!

Ihr
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Stadt- u. Univ.-Bibl. Frankfurt a. M. 2 S. 8°. K: Hofrath Jung Frankf. 24 Okt. B: IV. Abt., VI, Nr. 185. 297,24 wird] aus ist H 28 Erhalten] aus Bewahren K 30 fortleuchtet K

Neberich: ein Weinreisender aus Frankfurt a. M., der J. P. schon im August 1807 einmal aufgesucht hatte. Ossian: vgl. zu Nr. 530. Müller: Adam. Moritz: Anton Reiser. Carolinens Nachschrift fehlt.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_686.html)