Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 10. Januar 1806.
Brieftext
Denn um mich in Feuer zu setzen, mach’ ich Briefe; im Feuer
erst die Bücher. Ich kann das Lob meiner Briefe — in Ihrem heutigen —
gar
nicht aus dem Kopfe bringen, während ich leicht anfangen
wollte
wie sonst, sondern es soll, streb’ ich, motiviert und erhöhet
werden.
Vielleicht kann ich wenigstens so fortfahren:
Der Krieg, die wehende Flamme desselben, das nähere Herein
schlagen derselben, könnten mich — als Kinder-, nicht als
Bücher
Vater — wol weiter jagen, wenn ich eher
daran glaubte, als ich
die erste Kanone höre. Übrigens ist
in und außer mir eine dumme
tonlose Zeit; sogar das Wetter
gehört dazu und meine Schreiberei.
Ich seufze nach Scherzen.
Alles liegt schon da zu einem rein ko
mischen
Pantheon, worin reine Spaß-Mysterien und Autos ge
feiert werden sollen, sobald ich nur
aufhöre, so verdammt ernst und
wichtig und belehrend um
mich zu blicken als ich seit Semestern
thun muß. — Mein viertes
Flegeljahr wollen Kenner hoch über die
drei andern heben; wahrscheinlich verstossen sie gegen die
Be
scheidenheit, womit ich die drei
ersten schätze. Aber wahrlich man
kann überhaupt über sich nur
ein relatives Urtheil gegen sein früheres
fällen; mehr
nicht. —
Riepel (es war aber ein neueres Werk über das Rezitativ) nahm
mich unendlich ein. Leicht ist der humorische Freiheitstanz im
selber
geschaffnen Chaos; aber hoch und
selten stellt er sich auf dem strengen
engen Stoffe dar; und
blos da beweiset er rechte Seelen-Loslassung.
Ich meine,
es ist leicht, mitten im Scherze einen und den andern
Spaß zu
machen, z. B. mit Ihnen.
Im achten Bande der Straußfedern stehen schöne Lustigkeiten
von Tieck, der jetzt in Rom ist.
Ich kann in den hiesigen Konzerten nichts beurtheilen als die
Geiger; und diese habt Ihr mir alle versalzen.
Im nordischen Merkur steht ein langer Aufsatz von mir über
Luthers Denkmal; der Schwanz — im zweiten Hefte — ist blos
ernst. Die gemeine Schreib-Kaste will mich lieber zum
Mitarbeiter
als zum Arbeiter.
Meine drei Kinder würden Sie zwar nicht zum Narren machen —
wozu Sie anjetzo schon zu alt sind — aber doch zur Puppe; und
zu einer
der belebtesten, die ich kenne und die ihnen immer
fehlt. Ich könnte
nicht weissagen, welches von dreien Sie am
meisten erpacken, über
schwemmen und
fortziehen würde; denn die beiden andern würden
Sie auch
halten und Sie würden nichts vorzustellen wissen unter
diesen
drei Wesen und Kindern als das vierte.
Ihre Federn bleiben noch unbezahlt; aber was schadets Ihnen
oder
mir?
Ich wünsche mir Sie recht sehnlich her; nicht etwa des dummen
Bezahlens wegen — das mir sehr gleichgültig ist — sondern sonst.
Lieber streich’ ich einen Gedanken aus als einen Gedankenstrich (wie
eben); so ists auch mit dem Darüberkorrigieren beider (wie eben
auch
eben); die Gründe liegen am Tage weiter oben.
Ich erstaune oft, wie leer ich meine Briefe an Sie zu machen weiß;
und doch thu’ ich mir noch nicht genug.
Nach allem was ich von Ihnen erfahre, arbeiten Sie sich immer
fester zusammen; weder Leipzig noch Paris, sondern
Aschaffenburg
mit seiner Einsamkeit und Kunst ist das Nest, das Sie
ausbrütet.
Auch hoff’ ich, daß sich noch Emanuel mit seiner Phönixbrust über
Sie legt. Ich bleibe Ihr alter trefflicher köstlicher
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_183.html)