Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 16. Oktober 1805.
Brieftext
Nur spielt der Vorwinter den Nachwinter jetzt. — Überhaupt ist
jetzt eine Zeit voll Wolken, hinter denen Schlachtfelder und der
Teufel und seine Nebenteufel liegen können. —
An Herzog und Kanne hab’ ich geschrieben.
Ich wollte, Sie kämen hieher, um nur drei Tage lang uneinig mit
sich zu sein — wiewol noch die Frage ist, ob Sie dem guten lebhaften
Thieriot über irgend etwas entschieden Recht geben — welches
von
meinen 3 Kindern Sie stärker lieben sollen als das
vierte, womit
ich Sie meine. —
Manteufels Brief ist vortrefflich. Sollte sein Wunsch, einen
moralischen Erziehungs-Katechismus von Ihnen zu erhalten,
mehr
ein Ernst als eine stachlichte Ironie gewesen sein, die
jedoch der
Freund dem Freunde so leicht gestattet? — Ich
besorge letzteres;
auch weiß Ihr guter alter Bekannter gewiß,
wie gern Sie das Bei
ßende vergeben, sobald
es treffend ist.
Einen Thaler holländische Glaskiele bin ich Ihnen zwar
schuldig, zahl’ ihn aber, wenn Sie kommen, mit 1 Exemplar
der
Vorschule ab, welche bekanntlich 3 Laubthaler kostet. Es
geht gut879 Exemplare waren schon zu Ostern verkauft.
ab, und ich wollte, ich könnte meine Freiexemplare auch
los werden,
wenigstens theuerer als oben. Damit ich Ihnen aber
doch 1 rtl.
schuldig bleibe und nachher bezahle, ersuch’ ich Sie
noch um 1 Federn
Bund, aber fast um bessere. Doch waren im
vorigen einige, welche
durch die Folie der schlechten um sie
her, etwas gewannen.
Ihre Freundin grüss’ ich recht herzlich über den Rhein hinüber.
Über Luthers Denkmal steht im neuesten Stück des nordischen
Merkurs und im künftigen etwas von mir. — Ich arbeite
unauf
hörlich an meiner Erziehungslehre;
dem durchgehenden Ernst
in den Kapiteln füg’ ich zuweilen eine andere Beilage bei. Ich
sehne
mich aber in meine romantische Welt zurück. —
Lesen Sie doch
Wilibalds Ansichten des Lebens von Wagner in
Meiningen.
Ich hörte zwei Blinde, Dulon (Flöte) und Friedizi (Geige); jener
gefiel meinen Augen und Ohren besser. —
Ich schlafe hier allmählich ein und nur zuweilen werd’ ich munter
und sage: gute Nacht!
Jetzt hab’ ich einen Abschreiber, der nach einem künstlichen Plane
Register aus meinen Exzerpten zieht. Das soll mirs künftig
leicht
machen, dann und wann anzuspielen.
Ich bin noch immer jokos oder scherzhaft und sehne mich nach
Ihnen.
Lebt wol, Alter! Kommt! — Am Ende schneid’ ich für Euch die
Schlafrocks-Klappe, woran ich meine Autorfedern abwische, als ein
Briefchen ab und Ihr geht es durch in Euerer Antwort.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_158.html)