Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Bayreuth, 11. Januar 1806.
Brieftext
[Könnte Ihre freigebende Natur zürnen, so würde mir das Ver
söhnen für ein so langes Schweigen schwer,
obgleich dieß nur ein
äußeres, kein inneres war. Das
Wichtige im Leben kam immer von
Erinnerung an Sie begleitet zu
mir.] Leider ist jetzt fast nichts mehr
wichtig als die Noth. [Der Krieg,] der
dießmal das Gute nur erntet,
nicht säet,
[rückte uns näher und nah und drohte oder versprach,
mich immer weiter zu treiben bis nach Berlin. Dieß weiß ich
gewiß,
daß ich in einer größeren Stadt sterbe und daß ich
Berlin wiedersehe.
Da zu wohnen, fehlt mir weniger Lust als
Geld. Wie lange bleiben
Sie noch da? Mir fehlt nichts als
Frühling und Weimarsche Gesell
schaft.]
Meine Kinder wachsen immer mehr ins Grüne und zu Blüten
fort —
[Wäre denn außer Berlin gar keine Möglichkeit, daß drei
Menschen, die sich gewiß nicht mit so offner und freier Liebe
wieder
finden, nur Ein Leben neben
einander ohne Ferne führen?] Früher
als Jüngling will man blos Briefe, später in der Ehe will man
lebendige Gegenwart.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_185.html)