Von Jean Paul an Friederike Otto. Leipzig, 22. November 1797.
Brieftext
— daß ein Brief, den man bekomt, die Sehnsucht schöner anregt und
beruhigt als einer, den man schreibt. — auf der Gasse klappern
die
Brief-, Heerings-, Lichter-, Bier- und
Wasserträgerinnen. Sie sind es,
du bist es und nun komt
glänzend ein Edenabend vol süsser Träume,
vol Liebe und Ruhe,
vol vergangner und kommender Zeit und ich
weiche glüklich und
sehnsüchtig zugleich von dem liebenden Herz, das
ich so lange
kenne und immer schöner. Alle neue Gestalten und neue
Freunde
und die ganze Zukunft können kein Herz verhüllen und ersezen,
das ich in Hof geliebet habe, und wie warm wird der nächste
Frühling
meines an jedes legen. Mit welchem Entzücken werd’ ich aus
Ihrer
Mond- und Morgenstube den Frühlingsglanz an den Alleen
und die
Abendglut an den Bergen sehen. — Briefschuldner, denen
ich nicht
eher schreibe als bis ich ihrer bin. — ein
Kuchengarten vol weiblicher
Gestalten — manche sind Torten
[?] mit Blumen bestekt, manche
Schinken — Eine ewige Einsamkeit — und der Umgang mit
einerlei
Personen ist nichts anders — macht einseitig,
trübe, zu furchtsam, weil
einerlei Freuden ermüden, zu stolz,
weil man nicht jeden Maasstab des
Werthes kent, und nimt die
Lebenslust. Ihnen ist jedes Jahr eine
geistige Badreise
von nöthen. Dürften die Menschen als Träume
kommen —
([sie] sind etwas ähnliches) — wie wolt’
ich durch Ihren
Schlummer dringen und Sie in weite blühende
Ebenen führen und
unter Tönen verschwinden und nachrufen: Lebe
wohl und denke daran,
wenn du erwachst. 10000 etc. etc. etc. etc. Grüsse.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_11.html)