Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 4. März 1799.
Brieftext
Hier, Lieber, sind zwei Blätgen von der mehr zu schnellen als zu
steten Kalb, eines an dich und
eines an Amöne. Sie schrieb sie bei
Kopfschmerz. Sie wil nämlich Amönen — und dir —
entgegenfahren
bis (Gera anfangs;
aber der Weg ist unwegsam) Eisenberg oder was
ihr wählt. Ihr bestimt den Tag der Ankunft; aber
freilich — sogleich.
Sie bleibt nur kaum diesen Monat hier;
und hat im neuen Zölibat
gerade den stärksten Wunsch. Ich
fahre auf alle Fälle nicht mit; weil
ich sonst — zumal bei
dem Projekte so vieler diesjähriger Reisen, sogar
nach
Holstein — den 2ten Weg nicht wieder machte, wenn ich dich
ge
sehen hätte. Nur denke sich Amöne
das Leben bei dieser Frau nicht so
vol Lustbarkeiten wie mein
hiesiges ist. Doch wird sie genug haben, —
Freiheit der Lage
und concerts spirituels ohnehin; und mich dazu. Über
mich hab’ ich schon so mit K.
pazisziert, daß ich mit Amöne in Beisein
der K. umgehe als wäre Caroline dabei
und umgekehrt. — Zögern
würde alles verderben. — Ich denke, mit einer Frau
von mehr Geistes
freiheit, Tiefe und
Kraft und Toleranz als ich je eine gekant, wird sich
wohl A.
befreunden. — Versäume ihre Bekantschaft nicht, da sie deine
so wünscht. — Sage Amönen meine Freude über ihre Nähe — K.
wil
mich dan mit ihr in meiner chambre très
garnie besuchen — ein weib
licher Singularis darfs hier nicht wagen, aber ein Dualis. — Sie geht
dan nach Kalbsrieth (eine himlische
Gegend, wo ich und Herder sie
einmal besuche[n])
und später nach einem Visittenreichern Gute in
Franken, Waltershausen, das dem Maienthal
ähnlich sein sol, und
wil A. mitnehmen wenn sie wil. — Lebe wohl! Ich freue mich,
daß
ich euch Brief-Schnecken doch einmal zum
Briefgallop zwinge.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_220.html)