Von Jean Paul an Moritz August von Thümmel. Weimar, 21. März 1799.
Brieftext
Ich wolte, Sie machten die Reise um die Welt auf dem gelehrten
Weltmeer aus Dinte. Seine zufälligen Venussterne treten zu
einem
Sternbild zusammen.
Hymne an die Sonne.
Der Dichter hat von mehre
ren Kritiken auf einmal weiter
nichts als daß seine eigne irre
wird. — Und doch
merk’ ich
folgendes an:
[Von Thümmel]
Quell aller Thätigkeiten!„Thätigkeiten“ scheint, beson
ders für den Anfang und in Ver
bindung mit „Quelle“ und „lei
ten“ zu abstrakt.
Vom Ewigen bestimmt
Der Welten Heer zu leiten,
Das auf dem Strom der Zeiten
Um deine Sphäre schwimmt.
[186]
Seit du der Nacht entsunkenGarve irret gegen Sie;
denn
selber unsere Astronomie, die
doch um ein Jahrtausend jünger
zu sein scheint als die Sonne,
sah Sterne verschwinden.
Dein Licht von Ihm geholt,
Sah’st du von allen Funken,
Die in dem Raume prunken,
Schon manchen Stern verkohlt.
Doch dein Gestirn verwaltet
Noch stets sein Mittleramt
Gleich rein, gleich unveraltet
Als es aus Nichts gestaltet„Als es aus Nichts“
Einsylbige
S-Härten. — „Aus Nichts ge
staltet“ — gestaltet sezt
Stof
voraus.
Dein Schöpfer angeflammt.
Zum Wohlthun auserkohren,
An seiner Hand, streust du
Den Weisen wie den Thoren
Bey jedem Schwung der Horen„Bei jedem“ „Genus und Freu
den“ nicht
solarisch-poetisch ge
nug.
Genuß und Freuden zu.
Nie lenken unsre Psalmen
Die Kräfte deines Strahls,
Doch reifest du die PalmenIch finde, gegen Garve,
alles
klar; nur wollen die Palmen
wärmere Berge.
Der Alpen wie die Halmen
Des tiefgebückten Thals.
Juwel in Gottes Kranze
Und Erstling seines Hauchs,
Dein Schimmer schmückt das Ganze,
Eins fehlt nur deinem Glanze:
Bewußtseyn des Gebrauchs.
So viel dir Kräft’ entquillen,„entquillen“ stat
„entquellen“.
Fehlt unsre dir allein
Aus Wahl, aus freyem Willen
Den heißen Trieb zu stillen
Der Erde Freund zu seyn.
Wenn dich in deinem Gleise
Das Joch der Allmacht hält,
So bildet sich der Weise
In seinem Wirkungskreise
Selbst seine Sonn und Welt.„Selbst seine Sonn’“ — Dan
komt das harte Selbst noch 2
mal hinter einander.
In seiner Geistes-Würde,
Die ihn der Zukunft naht,
Trotzt er des Lebens Bürde
Und hält in niedrer Hürde
Selbst mit der Gottheit Rath.
Er wägt sich selbst nach Thaten
Und achtet keine Last,
Wenn sie das Wohl der Staaten„Wohl
der Staaten und Saa
ten“ Hier ist das Eigentliche und
Uneigentliche zu hart hinter ein
ander, und stat „Wohl“ müste
auch eine Metapher reden.
„Eine die Saaten umfassende
Last“ giebt
kein Bild.
Und hoffnungsvolle Saaten
Für Brüderglück umfaßt.
Daß ich mein Daseyn lenke,Diese Strophe scheint zumal
mit
der 2ten Zeile
ausser dem Fokus
des Sonnenbrenspiegel-Feuers
des Vorigen zu fallen.
Wie es mein Herz bedacht,Daß ich Gott fühl’ und denke,Sind schönere GeschenkeAls aller Sonnen Pracht.
Weit über sie erhoben
Schwingt mich der Flug der Zeit„Ein Flug, der einen andern er
hoben über etwas schwingt“
Von diesem niedern Globen
Zu höhern Geistesproben
In die Unsterblichkeit.
Durch diesen Blick ins Freie
Erhell ich meine Bahn.
Die Stunden fliehn — Ich weihe
Der Hoffnung sie und reihe
Sie meiner Zukunft an.
Daß, wenn zu höhern SphärenIn dieser schönsten Strophe
find’ ich troz Garve nicht die
kleinste Dunkelheit; und ihre
schönen Schwestern sind die
Brautführerinnen zu
diesem lez
ten Altar des
Menschen.
Ich fröhlich übergeh’,
Der Fruchtstaub meiner Ähren
Noch in dem Thal der Zähren
Um meinen Hügel weh’.
— Ungeachtet dieser Erinnerungen hat Apollo unter dem Inkognito
der Sonne, dieses Selbstlob soufliert.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_227.html)