Von Jean Paul an Renate Otto. Leipzig, 5. Dezember 1797.
Brieftext
Entzükt blikt’ ich den geliebten Wiederschein unsers vorigen
Frühlingroths, geliebte Renate, an. Alle Sonnen, die um mich
auf
gehen, werfen Stralen auf Ihre
Gestalt, und Wärme in mein Herz.
Du Gestalt aus meiner vorigen
einsamern Zeit, wie könt’ ich dich
vergessen? Lagst du nicht so
nahe an meiner Seele? Hatten wir nicht
einen freudentrunknen
Frühling, der in keinem Kalender und in wenigen
Herzen
steht? O wenn ich wieder zurükkomme, so sol dieser Frühling
wiederkehren — wie werden wir uns lieben! Kurz, aber unendlich, und
in Augenblicken vol Ewigkeit! —
Die historischen Kleinigkeiten meines Lebens lassen Sie sich von
Otto erzählen, weil ich sie nie mehr als einmal erzähle. Ich
bin un
erwartet glüklich und werd’ es
immer mehr.
In Ihrem Briefe ist das ganze Herz, was ich so achte und liebe — ach
es verliert viel Blut und hat zu viele Wunden, aber es wird
davon
nicht kleiner. Sei ferner so fest, die Vorsehung hat
noch keinen Ge
duldigen verlassen, noch keinen. —
Oertels Frau finden Ahlefeld, er und ich Ihnen in der Liebe und im
Frohsin ähnlich, obgleich Ihre Gestalt schöner ist. Oe.
schrieb mir es
schon nach Hof, daß
sie Ihnen so schön gliche!
Lebe wohl, du meine Unvergesliche, grüsse meinen Freund Christoph
herzlich und drücke meine Paulline für mich an dich! Lebe
wohl und
schreibe, sobald du kanst!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_23.html)