Von Jean Paul an Karl Ludwig von Knebel. Weimar, 23. März 1799.
Brieftext
Geliebter, unvergesner Freund! Eben diese Stadt erinnert mich
immer an meine vorigen hiesigen Freuden, aus denen mir eine
fehlet,
nämlich Sie. Herder und
Fr. v. Kalb und ich sprechen oft von Ihnen
und sogar von der Hofnung — die man uns gegeben —, Sie
wieder
zu erobern. Wir beide haben über so viel zu
sprechen und einig zu
werden und sogar uneinig. Mein Torso
mit seinem Herzen hat sich
bisher weniger verändert als der
Kopf darauf.
Ich möchte Ihre Kritiken über meine neuern Werke wissen. Sie
sind gewis mit mir der Meinung, daß unserer Nazion ausser manchem
andern Geist — z. B. der Lebensgeist, der bel esprit — auch der
kritische fehle; und daß
dieser seine Asphyxie mehr im Loben als Tadeln
zeige.
Eine Lobrednerin von Ihnen, von der ich selber der Lobredner sein
wil — weil es die beste Hausfrau ist, die je ein
litterarisches Leben
versüste und ein bürgerliches
verbarg — diese bringt Ihnen mein Blat.
Aber wenn kommen Sie? Das ist nicht blos meine Frage.
Grüssen Sie Ihre Gattin und gedenken Sie meiner immer so liebend
wie ich Ihrer. Addio Carissimo.
Fr. v. Kalb und die Herders
grüssen Sie und Einsiedel und ich und
der — Frühling. — Zu Ostern erscheinen von mir Briefe und
eine
Konjekturalbiographie meiner Erden-Zukunft.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_230.html)