Von Jean Paul an Karl Ludwig von Knebel. Hof, 3. August 1796.
Brieftext
Mir ist immer, lieber Lukrez, als müst’ ich nach Weimar, um
von
Ihnen Abschied zu nehmen, wiewohl ich das vorige mal
schon auf
dem Wege zu Ihnen war und nur wegen meiner
gewöhnlichen Ver
irrung und der 11ten Stunde umkehrte. — Ihre Elegien erhielt ich
die vorige Nacht richtig und gut kondizioniert; als ich aber
aufwachte,
erschrak ich sehr, weil Träume allemal das
Gegentheil bedeuten.
Jezt indes braucht man einen
Tyrtäus mehr als einen Properz. Die
Oesterreicher haben sich in lauter schnelfüssige Achilles
verwandelt, wie
ungefähr der behaarte Miniatür-Wiener in Ihrer Stube ist.
Die
comédie larmoyante dieses Krieges gleicht den
Puppenspielen,
worin kurz vor dem Fal des Vorhangs sich die
Marionetten am
meisten prügeln: nur daß Schläge die
Puppen nicht bessern, aber die
Menschen und die Directeurs der erstern; die Menschheit und die
Braunschweigische Mumme werden unterweges einigemal sauer,
aber
am Ziele kommen beide doch unverdorben an....
„Unverderbt“ sagt Adelung, der lieber Härten als Anomalien wil.
Bei Ihnen wär’ es beides, wenn Sie mir nicht eine
Stunde nach
diesem Briefe, einen schrieben und schikten. Leben
Sie wohl, in Ihrer
schönen Favorita,
unter den Musen und Blumen und denken Sie
meiner!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_366.html)