Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 25. April 1799 bis 7. Mai 1799.
Brieftext
Gott segne dich, Lieber, für die heilende Freude, die mir dein Brief
zubrachte. Ich bin jezt an meine Erupzionen so gewöhnt,
daß mir alles
darin altäglich vorkomt, die breitesten
ausgenommen — blos der ganz
spiralmässig in sich
kehrende Plan erfreuete mich wie eine lange Rech
nung — auch dringt mir der hohe
Albano ordentlich wie eine Rührung,
eine zu ernste Manier auf — Kurz ich
[
große Lücke
]
Liane sol dir künftig wie Blütengeist ins Herz ziehen — Und doch
hab’ ich noch 2 andere, nie gezeichnete hohe Weiber.
Jeder Karakter sol eine Geschichte für sich formieren 〈z. B.
Roquairol, Schoppe etc.〉, die aber in der Hauptgeschichte
nur ein
Kronrad, kein Zifferblatsrad wird; dieses
Ineinanderschieben der Ge
schichten
macht alles so schwer.
Was du von Einschieb[
Lücke
] sagst [
große Lücke
]
kleinliche Idee vom Helden giebt. Wenn das vornen Dunkle nur
einigen Werth hat, so ists genug; daß es mit mehr
Vortheil hinter
der Erziehung stände, ändert nichts; sonst müst ich
überhaupt das lezte
Buch zuerst geben, weil dadurch jedes
andere gewänne.Ich lege dir ein versiegeltes Blätgen
[
Lücke
] das sonderbar in d. jezig.Lesung
[
Lücke
] und das du erbrechen kanst — aber [
Lücke
]
Beim Him
mel! es sol sich eben
erst vor der 2ten Lesung aufthun.
Rüge streng und [
große Lücke
]
[Mein Publikum macht jedem Menschen
Ehre.]
Du hattest nur da Unrecht, wo du — nichts sagtest.
Über vieles erwart’ ich deinen 2ten Brief nach den 2
lezten Kapiteln,
und unsere mündliche Rüksprache, die ich
absichtlich der schönsten
Frühlingszeit aufhebe.
Apropos: Roquairol ist zwar Kammerrath; aber eine Militair
stelle passet für ihn besser; allein
er [
große Lücke
]
Obgleich alles erst den 8 Mai fortkomt: wil ich doch heute noch
vorausschreiben. Den deutschen Hern nant’ ich früher Couchey;
er heisset aber Bouverot; du must
es dir aus der häslichen Hand des
Lehnprobstes erklären, um
so mehr da er alles verziffert, welches mir
Mühe genug macht.
Das lezte Kapitel ist das einzige, das ganz erst jezt aus
meiner
Seele flos. — (die lezte Apostrophe ausgenommen,
der 45. Zykel
heute d. 7 Mai)
Amöne möchte, daß ich mit [ihr und?] dir
nach Hof gienge; aber
[
Lücke
] gekehrt — und bei dir [
Lücke
] korrigi[
Lücke
] wil ich
[
Lücke
] holen [
große Lücke
]
[Sie gefiel] auch der Berlepsch, andern überhaupt sehr; sie betrug
sich hier sehr gut und fest. Ihr Herz kanst du in die
pontinischen Sümpfe
von Paris tauchen: du ziehest es diamant-rein
wieder heraus. Diese
weibliche Festigkeit, die unsern guten Einflüssen
widersteht, beschirmt
diese Wesen dafür gegen schlimme.
Ein Man wirkt (syllogistisch) auf
den Man mehr als auf ein
Weib. Wir sahen uns wenig; ich bekam
sogar (sie kan nicht
ganz dafür) meine [al]ten Höfer Vapeurs gegen
[sie] und ich sah, daß — wenn
[
Lücke
] ausnähme — ich in Hof
[
Lücke
]
die kalte Dumpfheit [
Lücke
] überkommen [
Lücke
] in mir auf, [
Lücke
]
Ort und die Zeit denke. [
Lücke
] must’ [
große Lücke
]
vollends von (eigentlich überal unrechten) Besuchen. Denn welche hat
denn ein Recht, sich blos durch ihre Moralität vom
Zeremonialgesez
zu dispensieren, was sie der
andern absprechen wolte, die ja eben so gut
eigne
Richterin sein kan? — Mit der Schröder war sie einmal bei
mir,
und ohne jene auch einmal; aber
es war am lezten Abend, wir sehnten
uns beide; darauf
[giengen] wir zu Herder; auch wars [am]
Tage;
und ein Mädgen wohnet [
Lücke
] mir; und einmal ist
k[einmal.]
Ich endige [
Lücke
] das Bu[
große Lücke
]
[Der holde Tag, die freudigen Zufälle machten, daß nicht blos
der
Merkur durch die Sonne gieng, sondern auch Endes
Unterschriebner.]
Meine innern Gestalten trösten mich über die äussern, nur ergreifen
sie mich stärker als diese und zu stark.
Göthe und Schiller waren das leztemal ganz frostig gegen mich;
blos — wie man dort beim Thee sagte — weil ich an
der Herderschen
Metakritik schuld sein und sogar Hand darin haben sol und
Schiller
hoft, unsere 〈Herder und meine〉
Freundschaft werde dadurch brechen.
Samuel gieng zur Messe nach Leipzig, mich wie Gotlieb sich aus
drücket, „anzuschmieren und bei meinen
Buchhändlern zu borgen [und]
nach Amerika zu gehen.“ 8 Tage vorher eh es Gotlieb schrieb, ver
muthete ichs und schrieb daher an
Matzdorf etc. Als er bei diesem
[
Lücke Ld’or wolte: gab ers nicht;
[
Lücke
] Morus etc. Böhm schreibt
mir, er [habe
ihm] 5 Carolin zur Reise etc.
gelassen.
[
Lücke
] nach Hild[burghausen zu einer]
lieben Freundin.
[Deine lezten Briefe an mich, die in Couverts bestehen, habe
richtig
erhalten, aber es lieset sie unterwegs jeder
Nar; du soltest die
Couverts an mich einschlagen in
fremde.]
[
Lücke
]
Melde mir die Ankunft des Mspt bald.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_256.html)