Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Leipzig, 20. Dezember 1797.
Brieftext
Das vorige und die Briefe lagen schon vor 10 Tagen bereit und
dein Bote versäumte das Abholen. Mitten im Wirbel und in
der
Charybdis neuer Menschen oder eben darum sehn’ ich mich
ausser
ordentlich über die Häuser
hinaus zu dir. — Die Berlepsch ist da. —
Gleich der „Reiheschank“ (wo ein Haus ums andre das
Bierzeichen
aushängt) hab’ ich unter den Feiertagen einen
Reihefras und soupiere
mich von einem Tischtuch zum
andern. — Mahlman ist da: er ist viel
weniger als sein Brief; mir scheint er weniger herschsüchtig
und mehr
gefalsüchtig, ein empfindsamer Libertin in Gefühlen, und nicht für
höhere Zwecke des
Ehrgeizes, der Alten und des Idealischen gemacht,
kurz ein veredelter Leipziger. Melzer hat ohne Vergleich mehr
kräftige
Mänlichkeit, Ausbildung, Scharfblik und Denkkraft: und
ist ein ver
edelter Berliner. Beide aber
haben gewis irgend einmal andre Kräfte
verschwendet als geistige. Es ist fatal, daß jeder Teufel
gerade mit mir
zu dir wil: und ich möchte doch allein kommen.
—
Um 11 Uhr: das hatt’ ich geschrieben, du Unsichtbarer, Unhörbarer
und Stummer, als mir deine gute Sophie ihr liebliches Blat
schikte
und mich in meiner Abwesenheit zu ihrem Gaste machte. Ich
danke dir,
du danke ihr in meinem Namen und jezt wil ichs
selber thun und
schreiben. Lebe recht wohl Guter!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_28.html)