Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 13. Juli 1799.
Brieftext
Es drükte mich, daß du gerade nach deinem sanften Brief
meinen
harten bekamest. Mündlich wäre eine
Ausgleichung über das Persön
liche und
Ästhetische das Werk einer ½ Stunde. Nur einiges. — Über
die
Corday hatte mein Gedächtnis Unrecht; schicken kont ich
sie dir
nicht, weil ich ihr Epitaphium bis zur lezten Minute
verschoben hatte
und es nas aus dem Dintenfas nach Berlin ablief. — Ich wil, wenn
ich komme, dir an deinem Brief die vielen notierten
Gebote zeigen, die
ich erfüllen werde. — Die schönen
Grundsäze über Menschenschonung
unterschreibt meine Seele; du
hast aber überhaupt von innen und
aussen eine reinere
bequemere Lage für die Moralität; ich bin gerade
der
Nordseite des Geistes der Zeit ausgesezt. — Gleichwohl irrest du
über die gedrukten vor den Episteln
gemachten Briefe; im Schreiben
ist mir nichts Persönliches etwas, also auch Hof nicht; sonst hätt ichs
nicht so lustig gemacht. Noch immer bewahr’ ich troz so
vieler litte
rarischen
Thoren den Grundsaz, keinen in
effigie aufzuhenken; aber
etwas anders sind
litterarische Sünder; hier ists sogar Pflicht, ob
wohl gegen mein Gefühl; sonst weichen am
Ende die Menschen den
Kröten wie die Abderiten den
Fröschen.
Ich wolte diesen Morgen unsern Emanuel — der mir auf
einmal
aufgieng wie ein Sternbild — nach Hof begleiten; aber endlich wurd’
ich wieder über die lockende Perspektive, die sich hinter so
vielen Däm
men ausbreitet, Herr;
denn es sind zu viele zu übersteigen. Schreibe du
oder deine
Schwester mir doch, in welchem Theile des Augusts Caroline
kopuliert wird; ich möchte sie noch als Braut habhaft
werden.
Hier sind Briefe; und hier der Kalbische an dich; nur durch
die
weibliche Unbestimtheit konte eine Exegese wie meine
entstehen, da sogar
mein Name darin steht, welches ich
für Ironie des Zürnens hielt.
Die Königin sah ich aus Mangel an Zudringlichkeit nicht, oder aus
Überflus; denn ich paste, daß ihr Kammerherr einladend zu
mir käme,
da ihr doch jede Minute karg zugeschnitten war. Sie
fragte nach mir;
in der Komödie solt’ ich ihr wie Wieland vorgestelt werden, und man
suchte mich umsonst, weil ich im — Park sas mit einer
lieben[swür]digen
Braunschweigerin, die mich besucht hatte mit der Schwester.
— Am
Morgen vor der Abfahrt — sagt mir die trefliche Thurn und
Taxis,
die ich nebst dem liebevollen Prinzen von Meklenburg
besuchte —
sagte sie zum Herzog, er solle mich holen lassen; dieser
wahrheits
liebende Herr sagte mir
vorgestern, er hab es gethan, warum ich
nicht gekommen.
Indessen haben mich doch so viele gothaische und
hildburg[häusische] hier anwesende
Fürstenhände auf meiner Glüks
und Gnadenleiter so weit
hinaufgeschoben, daß mich als ich am Sontag
im Park
vorbeischos, die regierende Herzogin [nicht
nur] laut (und
mehrmals) zurükrief, sondern auch höchst freundlich
anredete, über den
Titan ausholte u. s. w. Herder glaubt aber, ich schlösse zu viel aus
dem Vorfal; und das ists eben, was sich der Neid gern
bereden möchte.
Du hast keine Vorstellung wie hier um ein
Ekgen Regenschirm vom
Thronhimmel geschoben und gezankt und
gestossen wird; ich sehe im
Regen der Gruppe zu und
bleibe Philosoph.
Lebe recht wohl mit den Deinigen, mein guter immer geliebter Otto
und vergieb wo ich dir zu wehe that!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_293.html)