Von Jean Paul an Caroline Henriette Susanne Friederike von Feuchtersleben. Weimar, 29. Juli 1799.

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Brieftext

Kopie
[ Weimar, 29. Juli 1799

Wenn ich eine Stunde bei Ihnen hätte, wie sie für uns gehört, eine
Stunde, wo die Seele verklärt und zerfliessend sich der ähnlichen zeigt
und öfnet, und wo einmal um uns nichts wäre als eine untergehende
Sonne oder ein aufgehender Mond — als ich auf der Wartburg stand
und über die aufgerolte Karte von Wäldern und Bergen hinsah und
als ich mit der Menge durch einen herunterwachsenden Hain nach
Hause gieng, worein die Abendsonne vergoldete Bäume und Zweige
pflanzte und als mein Herz in Jugendkraft die Welt aufnahm: so
drang doch ein Seufzer in die glükliche Brust und er fragte mich, warum
bist du allein — Neben dir hätt’ er mich nicht gefragt. Nein, wir
müssen einmal in der grossen Natur neben einander stehen und ein
ganzes Leben in 1 Minute verleben und dan mit abgewandten Augen
scheiden und weinen. Gute Seele, weist denn du, wie ich dich liebe?

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Dieselbe 29 Jul. i 1: Wahrheit 6,100. i 2: Denkw. 2,233×. 216,24 worein] vielleicht worin 28 einmal] davor gestr. noch 30 denn] nachtr.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_296.html)