Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 20. November 1799.

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Brieftext

Citissime
W[eimar] d. 20. Nov. 99.

Du erhältst beikommend durch Fuhrman Zapf 1 Fas, für welches du
nach richtiger, zu rechter Zeit und unbeschädigter Lieferung so viel
Fracht dortiger Währung zu bezahlen beliebst als er fodern wird.

Lasse dan diese und die gelegentliche Fracht nach Bayreuth von
Emanuel bezahlen, damit ich alles Einem schulde und ers buche. Das
Bier ist so kontentierend, daß ich gestern gar nicht damit zu konten
tieren war, sondern forttrinken wolte. Er [!] ist der Pestilenziarius
meiner verpesteten Nerven. An Emanuel wird ein langer Dankpsalm
erlassen.

Ich beschenke dich schon wieder mit einem Almanach. Den 9ten wär’
ich gern in deinem Kreise; auch der guten Friederike wegen — der ich
einen langen Brief verspreche und dir in langer Zeit nichts — 1800
wird unter uns allen keinen Stein auf dem andern lassen sondern alles
besser legen. Was deinen Regierungsrath anlangt, so soltest du doch
bei Gott deiner künftigen Freiheit wegen und wegen etc. etc. etc. aus dem
Qualmigen Hofe heraus, wo du Schimmel ansezen must messerhoch.
Höre, ich lasse den Gedanken mehrmals sich zu mir auf den Schoos
sezen, daß ich mit C. ja nach Bayreuth ziehen könte und du mit —
Höre, höre! Die Gegend und das Bier und die Wohlfeile ziehen; so
sehr das enge Volk abstösset. Ich finde kein Weimar nirgends wieder
(ausser in Berlin) und nicht die Ehre wie hier; und wenn die Ehe nicht
den Ehrgeiz beschnitte: dürft’ ich nicht nach dem Vaterland. —
Gestern eh’ ich auf einig[e] Stunden auf den Bal gieng, hatt’ ich an
der Thüre mit den alten Herders durch drei Worte eine Rührung, daß
ich kaum mehr hingehen konte. Denn als ich gesagt hatte: „C. gehört
mir“ sanken die 2 Menschen mit Thränen an mein Herz. Nie sah ich
ihn verklärter, brennender, froher, gleichsam als wenn alle Räthsel
und Wünsche den Aufschluß gefunden hätten. Ach du Guter, der helle
Morgen, der jezt draussen leuchtet, ziehe auf allen Seiten strahlend in
dein uneigennüziges Herz.

Schreibe mir von meinem Bruder. Sende mir sobald möglich alles.
Danke Christ[oph] für seine Sorge.

Feiere dein Wiegenfest unter hellen Gestirnen. Ich werde an dich
denken und mein Geist wird unter eueren Wünschen und Freuden
sein.

R.

N. S. d. 29. Nov.

Die Farbe des Briefs wird dir seinen Aufenthalt im Wirthshaus
sagen, der auch unbelebten Wesen keine gute Aussenseite giebt. Gestern
hab’ ich sehr auf die Rükkehr meines „Wochenblattes“ aufgesehen.
Die Eile zum 2 B. wird dem Kritiker leicht auffallen; und eben darum
hindert sie die deinige. Sage etwas über Kieslings Roman und schreibe
ja bald. Adieu!

C. freuet sich immerfort auf dein Blätgen.


[Adr.] H. Christian Otto, Gelehrten. Hof. Mit einem Fasse und
Buch.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 3 S. 4°; Adr. auf der 4. S. K (nach Nr. 347): Otto20 Nov. J 1: Otto 3,200. J 2: Nerrlich Nr. 71. B: IV. Abt., III.1, Nr. 266. A: IV. Abt., III.1, Nr. 288. 256,25 Fracht] nachtr. H 26 gelegentliche] nachtr. H 257, 14 Denn] aus Und H 16 gleichsam] nachtr. H 18 auf] von K strahlend] aus stralend H 23 unter] nachtr. H 30 dem Kritiker] aus der Kritik H

Angekommen 10. Dez. Mit dem Überflüssigen Taschenbuch auf1800. 257, 3 Vgl. B: „In drei Jahren könnte ich Regierungsrath werden, wenn ich jetzt Auskultator oder Referendar werden wollte, wasich aber nicht werden will. Völ[derndorff] hat mir den Antrag machenlassen.“ 12—17 Der Herders besondere Zufriedenheit mit der Verlobungerklärt sich vielleicht zum Teil daraus, daß sie im stillen gefürchtethatten, Jean Paul werde eines Tages um die Hand ihrer Tochter anhalten. 27 Das Briefpapier hat braune Flecken. 30f. Gemeint ist: Da ich eilte, mitdem 2. Band des Titan zu beginnen, ist der Anhang zum ersten flüchtiggearbeitet und wird dir viel Gelegenheit zur Kritik geben. 33 Otto hatteversprochen, seinem nächsten Brief einige Zeilen für Karoline von Feuchtersleben beizulegen.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_351.html)