Von Jean Paul an Josephine von Sydow. Weimar, 19. Januar 1800.
Brieftext
Theuerste! Hier leg’ ich Ihnen einen schoenern Plan zu unse
rer Zusammenkunft ans Herz. Die
Leipziger Messe fält dieses
mal in den blühenden Mai — Freunde
aus Berlin und Weimar
besuchen sie — also hab’ ich eine Reise unter schönerem
Wetter
und mit günstigern Umständen. Und da komm’ ich
unfehlbar.
Noch mehr: ich weis durch eigne und fremde Beobachtungen
den
Gang des Wetters voraus: der ganze Februar
ist trübe (die lezten
Tage des Januars sind hel); der
Anfang und die Mitte des Märzes
sind heiter; der April
nicht, die Passionswoche ausgenommen;
aber fast der ganze
Mai ist götlich. Der Weg von Leipzig nach
Berlin geht im Februar aus einer Hölle in die andere.
Meine
jezigen Geschäfte und Verwiklungen sperren mich
für jezt ein.
Auch reisete ich nie im Winter. Unter meine
Verwiklungen ge
hört jezt der
Widerstand, den die Verwandten Carolinens unserer
Vereinigung thun. Ich weis nicht, ob ich es meiner geliebten
Josephine schon geschrieben habe, daß sie ein Fräulein
von
Feuchtersleben in Hildburghausen ist (mais tais-toi,
amie); daß sie
eine kurze Zeit bei der Herzogin als Hofdame vikarierte.
Erst im
vorigen Sommer fanden wir uns. Sie ist ausgebildet, stolz,
weich,
warm und heilig. — Zu Klotilde und zu allen
meinen Weibern
hatt’ ich keine Modelle, ich nahm sie aus meinem Herzen,
und
am Ende fand ich sie auch ausser demselben; nur die gute
Josephine hab’ ich
früher gefunden als gemalt; und ihr beschei
denes Auge würd’ es nicht errathen, wo ich sie malte und
meinte.
— Sie haben diesesmal beinahe immer nur
gefragt und ich kan
also immer nur antworten. Meine Ehe
ist (wenn nicht die Ver
wandten ein doppeltes Glük grausam
vernichten) in diesem Jahr;
mein Wohnort ist wo ich wil. Ich stehe nicht dafür, daß ich
nicht eine Zeitlang in Berlin einmal wohne — und dan,
Gute,
wär’ ich dir so nahe! Im Februar eine Reise zu
Ihnen zu machen,
verboten mir blos physische Verhältnisse, aber keine mora
lischen — allein im Mai, Gute!
Ich weis es nicht — ach ich
möchte — mir fehlet nichts
dazu als — Zeit. Denn so lang ich
nicht zu Hause bin,
arbeit’ ich nicht. Ich bin nicht reich; und ob
ich
gleich für den gedrukten Bogen 5 Louisd’or bekomme: so
werd’ ich es doch nicht, weil ich nach dem Gelde zu wenig
frage.
In Deutschland leidet eine Gallierin vielleicht mehr in der
Jugend als im Alter; unsere Männer haben entweder zu
wenig
Feuer oder zu wenig Delikatesse; selten
verbinden sie beides;
dazu sind sie oft sogar in der Liebe
langweilig. Nur eine leere
eitle Seele, nie die Ihrige kan
das Alter scheuen; Sie sezen sich
in dieses mit Ihren jezigen Wünschen; aber es komt und bringt
andere mit. — Und ich bleibe deiner Seele immer treu! —
Wie
wird der Mai uns blühen! — Wenn du mich
siehest, hast du gerade
meinen Titan gelesen und liebst
mich ein wenig mehr; wie ich
dich nach jedem neuen Briefe. Ach neulich war ich wie ein
Kind
bei deinem Portrait und streichelte mit dem Finger
über das
Augenlied vor Liebe. — Du siehst wie ich an dich
denke. Sei
daher fester im Glauben an mich und
werde nicht so leicht durch
ein Schweigen irre, Theuere,
Liebe, Liebe!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_385.html)