Von Jean Paul an Caroline Liebmann. Leipzig, 30. Januar 1798.

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Brieftext

Kopie
[ Leipzig, 30. Jan. 1798 ]

Eine erzählte Geschichte ist fast für mich eine erlebte. — Das einsame
Wiedersehen ist das schönste. — Ich sah schon früher in ihren beiden
Seelen die Saiten, die so harmonisch zusammentönen. — Das deutsche
oder Regenspurg[ische] Reich fliege gegen sein Schleichen. Dieses Tuch
erinnere Sie, daß ich mich erinnere. Wir können die idealische Welt
niemand geben und müssen sie von niemand fodern: diese Blüten
sollen in uns wachsen, wir sollen unsere Tage damit behängen und
puzen, aber geniessen und essen mus man keine Blüten. Mit Wohl
wollen, das keine lodernde Flamme sondern eine bleibende Gluth ist,
wünsch’ ich ein stilles ruhiges Jahr, das ohne Wasserkünste und Kata
rakten zugleich nur sanft zwischen Blumen ströme. Und so sol dich deine
Freundin an der einen Hand und dein Freund an der andern mit ewiger
Treue durch das dämmernde Leben führen. Wir sind durch Stunden
vereinigt, die nicht vergessen werden und die im 2ten Leben wieder
kehren. Und jedes Jahr mög’ ich einen Wunsch weniger zu schreiben
haben.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Karoline 30 Jenn. 40,35 Wasserkünste] aus Kaskaden

Zu ihrem Geburtstag (4. Febr.).

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_50.html)