Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Weimar, 7. September 1800 bis 8. September 1800.
Brieftext
Hans! (So heisse, Guter, künftig, und ich, Paul!) Hans! Alle deine
Briefe liefen richtig ein. Ich komme am Ende des Monats;
schreibe
aber aus Dessau, wo
ich einige Tage bleibe, den bestimten. Wie mach’
ichs mit meinem Gepäcke auf dem Pakhause? — Mit der
Gräfin
v. Schlaberndorf kam ich hier in erotische Verbindung,
aber ohne
Konsequenzen; reizend und leicht-füssig ist sie
und ihr Herz. — Alter,
das ist gar nicht gut, daß du ein
Sopha-Bette wählen must: ist denn
in meiner Kammer kein
Plaz? — Zweitens mus ich dich um die grössere
Stube
bitten, längst hab’ ich bei meinen peripathetischen Arbeiten
kleine entwohnt. Um ein Kanapée, einen alten
Schreibtisch und ein
Repositorium, das mitten ins Zimmer
gestelt wird, bitt’ ich auch — Da
die Leichtigkeit, zu
arbeiten, (und also bald und öfter Kaffee zu haben)
sich
alle meine andern Verhältnisse unterordnet: so weist du schon von
welcher Seite meine Bitte am dringendsten sein müsse.
Hauptsache
Las mir ein Repositorium 〈mehr ein Papier- als Bücherbret〉, das
ich wie in Hof queer über die
Stube stelle, genau so für meine Papiere
machen: 6 Schuh hoch, 4 Schuh breit, die
Entfernung der Fächer oder
dünnen Bretter sei alzeit 5 Zolle, blos in der Mitte sei eine von
9 Zollen. Wär aber irgend ein altes zu haben: so nehm’
ichs auch, sei
es auch anders. — Das Exzerptenregister
find’ ich nicht; es ist am Ende
zu regenerieren. Matzdorf wil Du zu mir sagen. Diese keke Eingebung
der platten Eitelkeit wird mir gleich schwer zu
erfüllen und abzuschlagen.
— Grüsse meinen idyllenartigen
herlichen Gärtner. — Eine Aeols
harfe bring ich vielleicht mit. — In
der 42jährigen Äffin oder H—
fand ich zwar die Welt- und Bücher-Kentnisse und den
muskulösen
(nicht nervösen) Karakter des K[osmel]i, wie
du es gemalet, aber
weniger die Talente noch
weniger die Genialität. —
Wir wollen brüderlich zusammenleben wie wenige Menschen; und
es wird uns schwer im Frühling werden — denn ein längeres
Wohnen
in Berlin ist, auch
ohne Ehe, für meinen Landschaftssin eine Un
möglichkeit — die Hände auseinander
zu lassen und so zerrissen wieder
in die
Brief-Ferne auseinander zu fliegen. Darum wollen wir
diese
kurzen Terzien der Sichtbarkeit froh und nachgebend — lezteres
solst du sein — durchflattern. Ohne Freiheit der Rede und
Handlung
giebt es kein Leben; ich gebe sie dir, du mir;
nicht einmal in der Freude
sei freundschaftlicher Zwang. —
Grüsse die Matzd., besonders Sie
und die Alten. — Grüsse die Deinige! — Lebe
froh!
Hier kan mich noch deine Antwort treffen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_516.html)