Von Jean Paul an Christian Otto. Leipzig, 30. März 1798.
Brieftext
Lieber Otto! Könt’ ich mich in meinen Mantelsak mit packen: so
wären wir beide auf deiner Stube. Es ist fatal; das fallende
Wetter
glas untergräbt sogar meine
Hofnung, am Charfreitag anzulangen.
Komm’ ich da nicht: so hebt
mir das Geschik meinen Frühling, für
den blühenden Frühling
auf. Alle meine Gehirnkammern haben sich
in deine Stuben
verkehrt; und ich sehe nichts darin als das was ich
jezt so vergeblich wünsche. — Ein anderer grosser Nachtheil ist noch,
daß ihr mir, in der Ungewisheit meines Aufenthalts, keine
Briefe zu
schicken wagt; aber wagt es doch alle, schikt mir
unzählige — die besten
Vorkehrungen zum Nachschicken sind
schon getroffen, gesezt ich wäre
nicht mehr da.
Des kurzweiligen Rathes und Auskultanten Intelligenz-Beiträge
zu den Belustigungen des Verstandes und Wizes hab’ ich mehr
als
einmal durchgelesen und glaube sie zu kapieren; er wirkt
wohlthätig auf
die Stadt und sie fässet ihn. — Den elendesten
Lappen, der volgedrukt
wäre, soltest du mir schicken, da du meinen Geschmak kenst. —
Der neue
Eschenburg und Klopstok komt erst durch die
Messe in die Bibliothek. —
Die Klage der guten Brüningk geht ja nicht dich, sondern nur
mein
Februar Datum an; ich wil ihrs aber (mündlich) sagen. Sie
weis auch
nicht, daß du der Leiter meines
epistol[arischen] Feuers bist. — In
den
Negern sol Kotzebue die Zuschauer wie Neger behandeln
(wie ich
höre); der Tropf wil wie ein strafender Schulmeister
den Abgang an
moralischen 〈dargestelten und erregten〉
Schmerzen durch physische
erstatten. — Nur die
Standeserhöhungen (von Feez etc.) die Landes
erniedrigungen sind, schreibe mir nicht
mehr, weil ich über diese
Almacht Bayreuther Konnexionen die
Zähne knirsche. —
Meinen Geburtstag hab’ ich erstlich am 20ten — wegen
Frühlings
anfangs, und am 21 wegen des
meinigen gefeiert. Von unbekanter
Hand erhielt ich durch einen
Briefträger (es war aber nicht auf der
Post) braunes Tuch, das
ich schon doppelt trug als Rok und Überrok,
für den Winter.
Mdme Feind gab mir eine Tasse mit ihren und meinen
Inizialbuchstaben (Reim) — und die Brüningk ein
Halstuch — und die
Berlepsch stelte ein kleines Festgen mit Torten-Vivat,
Rosenstok,
Kranz etc. an wobei Weisse und einige andere Freunde waren. —
Wenn
das Wetterglas und das Wetter am Sontag, und Montag noch un
günstig sind: so sehen wir uns erst in
einer blühendern Zeit. Grüsse
alle Deinige und Meinige herzlich
und es sol mir alle Welt schreiben.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_79.html)