Von Jean Paul an Sophie von Brüningk. Hof, 21. April 1798.

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Brieftext

Kopie
[ Hof, 21. April 1798

Sie geben mir lauter bunte Frühlingsgeschenke mit einem Trauer
herz und meines nimt sie dankend und weinend auf. Nun zieht die
raubende und schwüle Stunde der Trennung näher und dunkler auf
mich zu und zeigt immer mehr neue Thränen. Hinter dem Vorhang
der Zukunft oder Vergangenheit schweben fliehend die theueren Ge
stalten nur wie gehende Lichter hinter dem Theatervorhang. Aber was
das Herz aufrecht hält, ist, daß ohne die Trennung der Jahre nicht die
kurze gesellige Stunde so viele gesammelte und gefülte Honigkelche
tragen würde. Wir entbehren nur Zeit, nicht Freude und ein einziger
Tag des lang entrükten Wiedersehens trägt alle Hesperidenfrüchte, die
erst in einem langen Jahre gezeitigt hätten. Ja es giebt hohe Augen
blicke, die nur um den Schmerz der Absonderung feilstehen. Leben Sie
froh und das Schiksal sag’ es mir nach.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K (nach Nr. 86): Brüningk 21 Ap. i: Wahrheit 6,35. B: IV. Abt., III.1, Nr. 51.

Sophie hatte geschrieben, daß sie am 19. April nach Geilsdorf abreise(zu Nauendorffs, s. IV. Abt. (Br. an J. P.), II, Nr. 178 und 234). Jean Paul scheint bei ihrgewesen zu sein. 61, 14 16 Vgl. I. Abt., VIII, 115,6–9.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_88.html)