Von Jean Paul an Sophie von Brüningk. Hof, 21. April 1798.
Brieftext
Sie geben mir lauter bunte Frühlingsgeschenke mit einem Trauer
herz und meines nimt sie dankend und weinend auf. Nun zieht
die
raubende und schwüle Stunde der Trennung näher und
dunkler auf
mich zu und zeigt immer mehr neue Thränen. Hinter
dem Vorhang
der Zukunft oder Vergangenheit schweben fliehend
die theueren Ge
stalten nur wie
gehende Lichter hinter dem Theatervorhang. Aber was
das Herz
aufrecht hält, ist, daß ohne die Trennung der Jahre nicht die
kurze gesellige Stunde so viele gesammelte und gefülte Honigkelche
tragen würde. Wir entbehren nur Zeit, nicht Freude und ein
einziger
Tag des lang entrükten Wiedersehens trägt alle
Hesperidenfrüchte, die
erst in einem langen Jahre gezeitigt hätten. Ja es
giebt hohe Augen
blicke, die nur um den
Schmerz der Absonderung feilstehen. Leben Sie
froh und das
Schiksal sag’ es mir nach.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_88.html)