Von Jean Paul an Theodor Christian Ellrodt. Hof, 18. November 1795.
Brieftext
Hier haben Sie eine kleine Insel, die der Meersgrund meiner Seele
ins Freie heraufgetrieben: möge sie, da sie keine Gewürzinsel
ist, für
Sie doch mehr Blumen als Schaalthiere haben. Mit einem
Autor
wohnt der Leser auf einem südlichen Eiland der
Phantasie so zu
sammen wie mit Freitag
Robinson auf seinem. Ich werde mir gern
von Ihnen in die Seele schauen lassen — — das schöne Elysium
der
Phantasie wird uns immer verbunden halten und wenn der
Traum
nied[er?] ist, sind wir noch beisammen
.. Mich umwehen immer so
vielerlei Winde. — Man mus unter der
Kritik sein, um gegen sie zu
sein. — Es that mir
freundsch[aftlich] mit wehe, daß die
schöne
Perspektive einer hellen Zukunft sich Ihnen, wie
alle Alleen thun, nicht
so wol entzog als doch näher gezeigt
als sie war. — Mir schlug nie in
meinem Leben eine
Hofnung fehl, die mir nicht einige Jahre darauf
im Licht einer
Besorgnis erschienen wäre. Der enge Erdensohn, der
nicht den
Muth hätte, das Wetter eines Sommers als Vikariatsgot zu
machen, erdreistet sich das Wetter eines ganzen Menschenlebens, an
dessen Leitung das Geschik einer Nachwelt hängt, entwerfen zu
wollen.
— Er betrauert andre, als gäb’ es keine
Zukunft dort, und sich, als gäb’
es keine hier. Alle unsre
Leidenschaften sind Ungläubige und Gottes
läugner. Der Himmel, der Ihnen den Weg zu Ihrer Ruhe länger
zeichnet, umgebe das Ende desselben mit schönen Ruhepläzen und mit
Frühlingprospekten und bewahre Ihnen die hohe Festigkeit im
Mis
geschik, die in der
Freundschaft gegen Sie immer behaupten wird etc.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_196.html)