Von Jean Paul an Frau von Streit. Hof, 24. September 1794.
Brieftext
Mein erstes Vergnügen in Hof ist, daß ich mich an das lezte in
Bayreuth erinnere und an Ihre Erlaubnis, Ihnen mein grosses Buch
und meinen kleinen Brief zu schicken. — Ich wünsche, daß Ihnen
die
Mumien halb so viel Angenehmes vorsagen als mir 3
Singstimmen
in Ihrem Zimmer vorsangen. Um es für Sie zu
verschönern, hab’ ichs
für Sie verkürzt — ich habe die Stellen,
die blos etc. Satire enthalten,
mit Bleistift verurtheilt, von
Ihnen übersprungen zu werden, damit
Sie früher zu den sanftern
kommen, die wie Adagios blos für das
weibliche
aufgeweichte Herz gehören. Es ist besser harte Hände als ein
hartes Herz zu haben und den Manspersonen, bei denen beides nicht
sehr weich ist, wäre eine erweichende Pomade für beides zu
gönnen. etc.
Der erste Theil ist besser als der 2te, so wie der 2te Tag in B[ayreuth]
— der Sontag, wo man zu
Me[yer]geht — besser ist als der
Sonabend,
wo man anlangt. Je länger Sie die Mumien zu Miethe
wohnen
lassen und in je mehr Häuser Sie sie einführen, desto
grösser wird mein
Dank für Ihre Nachsicht sein. Vergeben Sie
eine Geschwäzigkeit, die
nichts ist als ein Vorwand, einige
Minuten länger mit der Seele in
Ihrem Zimmer zu bleiben. Aber
der Faden Ihrer Geduld wird wie die
2 Saiten zerreissen,
die ich im Enthusiasmus über das Singen
Ihrem Klavier zum
Denkmal meiner Gegenwart so gut wie gestohlen
habe.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_21.html)