Von Jean Paul an Frau von Streit. Hof, 24. September 1794.

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Brieftext

Kopie
[ Hof, 24. Sept. 1794. Mittwoch]

Mein erstes Vergnügen in Hof ist, daß ich mich an das lezte in
Bayreuth erinnere und an Ihre Erlaubnis, Ihnen mein grosses Buch
und meinen kleinen Brief zu schicken. — Ich wünsche, daß Ihnen die
Mumien halb so viel Angenehmes vorsagen als mir 3 Singstimmen
in Ihrem Zimmer vorsangen. Um es für Sie zu verschönern, hab’ ichs
für Sie verkürzt — ich habe die Stellen, die blos etc. Satire enthalten,
mit Bleistift verurtheilt, von Ihnen übersprungen zu werden, damit
Sie früher zu den sanftern kommen, die wie Adagios blos für das
weibliche aufgeweichte Herz gehören. Es ist besser harte Hände als ein
hartes Herz zu haben und den Manspersonen, bei denen beides nicht
sehr weich ist, wäre eine erweichende Pomade für beides zu gönnen. etc.
Der erste Theil ist besser als der 2te, so wie der 2te Tag in B[ayreuth]
— der Sontag, wo man zu Me[yer]geht — besser ist als der Sonabend,
wo man anlangt. Je länger Sie die Mumien zu Miethe wohnen
lassen und in je mehr Häuser Sie sie einführen, desto grösser wird mein
Dank für Ihre Nachsicht sein. Vergeben Sie eine Geschwäzigkeit, die
nichts ist als ein Vorwand, einige Minuten länger mit der Seele in
Ihrem Zimmer zu bleiben. Aber der Faden Ihrer Geduld wird wie die
2 Saiten zerreissen, die ich im Enthusiasmus über das Singen
Ihrem Klavier zum Denkmal meiner Gegenwart so gut wie gestohlen
habe.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: An Fr. v. Streit in Bayreuth d. 24 Sept. 94. i: Wahrheit 5,58.

Es handelt sich vielleicht um die Frau des Ingenieur-HauptmannsLudwig Wilhelm Friedrich von Streit in Bayreuth. 22, 15 Vgl. Tagebuch:„In Bayreuth ... Sontags Abend zu Mlle Meyer. Bekantschaft mit sanftemMädgen.“ Vgl. 29, 8 und Bd. I, Nr. 436†. Das Mädchen ist vielleicht dieNichte des Hofrats Schäfer, s. zu Nr. 105. Emanuels Brief an J. P. IV. Abt., II, Nr. 12erwähnt „Mlle Mayer“ als Verehrerin Jean Pauls.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_21.html)