Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 16. Februar 96.
Brieftext
Mein Guter,
Sie solten meine Sehnsucht, Briefe zu schreiben wie zu erschreiben,
errathen, um zu wissen, wie wehe mir die doppelte
Einschränkung dieser
2 Freuden thut. Ich hätte Ihnen 1000 etc.
Dinge zu schreiben, und
mus sie blos
sagen; und kan das kaum: aber einmal wenn das Schiksal
unsere moralische Nähe mit einer physischen belohnt, werd’ ich
auf
Ihrem Kanapee Ihre alten Briefe aufbreiten und
auf jede Stelle darin
eine Antwort geben mündlich.
Ich glaube, ich hab’ Ihnen das vorigemal gar nicht für meine lezten
Bayreuth-Himmel gedankt.... Ich sehe jezt neben meinem
Brief
tisch 2 Turteltauben spielen d. h. lieben
und froh sein — Und ich denke
an die dumme Malerei
unserer Theologen von Gott, die den Zwek
seiner Schöpfung in
seiner Foderung unsers Preisens und Dankens
sezen. Der
eingeschnürte keuchende Mensch schiebt sich dem unendlichen
Herzen unter, in dem das Universum wohnt und das gerade alle Thiere
so glüklich gemacht die nie ihr schweres Haupt dankend zur
wolthätigen
Hand erheben können. Ich sehe mit
Rührung das unendliche beglükte
Gewimmel, dem der Geber nicht
einmal die Fähigkeit der Dankbarkeit
zutheilte. — Es würde
keine Undankbaren geben, wenn die Wolthat
ein gewisses Zeichen
der Liebe wäre. Gegen erkante Liebe — und könte
sie nichts
thun — ist der Mensch stets dankbar; und gegen Wolthaten,
die zu oft keine verrathen, oft undankbar.
Ach wie oft bin ich in dem Falle, daß ich nichts für andere zu thun
vermag! Aber man liebt eben darum vielleicht stärker, weil die
ver
sperten Gefühle stärker glühen.
Mein guter Emanuel! — Und so sagen Sie auch in meinem
Namen zum
geliebten Schäfer. Und geben ihm mein Buch; das
2te
Elrodten; und das dritte dem theuern warmen Freunde von
Leider eiligst
Den Ottoischen vortreflichen Brief hat der Verfass
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_238.html)